Nach dem Grundsatz der Intertemporalität ist ein rechtlicher Sachverhalt auf Grundlage der zu der jeweiligen Zeit gültigen Gesetze zu beurteilen. Das soll zu Berechenbarkeit führen und ist in vielen Fällen also sinnvoll. In manchen Fällen kann die Anwendung des Grundsatzes aber dazu führen, dass beispielsweise Verbrechen, die während der Kolonialisierung Afrikas oder Südamerikas begangen wurden, nicht nach heutigen juristischen Maßstäben beurteilt werden, sondern anhand der rassistischen und diskriminierenden Gesetze der damaligen Kolonisierenden.
Deutsche Gerichte haben deswegen in verschiedenen Konstellationen Ausnahmen zur Anwendung dieses Grundsatzes anerkannt, konkret um die Anwendung von NS-Recht oder dem Recht der DDR zu verhindern. In anderen Bereichen, beispielsweise bei der rechtlichen Einordnung von Kolonialverbrechen, wird vergangenes Unrecht durch die Anwendung des Grundsatzes der Intertemporalität auch heute noch verschleiert bzw. legitimiert.
(Post-)Koloniale Verbrechen
Während der Kolonialzeit raubten die Deutschen den Menschen in den Kolonien nicht nur ihr Land, ihre Kulturgüter, ihr Leben, sondern auch ihre Angehörigen – in Form von Gebeinen – und brachten sie nach Europa, für zweifelhafte medizinische oder dekorative Zwecke. Zehntausende sogenannte Human Remains/Ancestors liegen in den Archiven deutscher Museen, in Universitäten und privaten Sammlungen – in einer Art, die ihnen ihr Recht auf menschliche Würde versagt.
Kooperation Akademie der Künste
Die Entwicklung des internationalen Rechts und die von Europa aus vorangetriebene Kolonialisierung sind eng miteinander verwoben. Koloniale Gewalt ist allzu oft verschleiert und Unrecht zu geltendem Recht geworden. Für die Akademie der Künste kuratierte das ECCHR ein Symposium zu postkolonialen Kritiken am Recht.
(Post-)Koloniale Verbrechen
Das heutige Namibia war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine deutsche Kolonie. Die namibische Bevölkerung wurde massiv und systematisch diskriminiert. Willkür, Gewalt und Landraub waren weit verbreitet. Das ECCHR beschäftigt sich mit der Aufarbeitung der Kolonialverbrechen in Namibia und der kolonialen Vergangenheit Deutschlands.
Forschung & Wissenschaft
Das Buch Dekoloniale Rechtskritik und Rechtspraxis, das im August 2020 beim Nomos Verlag erscheint, ist der erste Sammelband zentraler Grundlagentexte zu dekolonialer Rechtskritik. Theoretische Ansätze von Wissenschaftler*innen wie Antony Anghie, Martti Koskenniemi, Silvia Rivera Cusicanqui und Makau Mutua erscheinen erstmals gesammelt in deutscher Übersetzung.
Forschung & Wissenschaft
Die strafrechtliche Untersuchung der Ermordung Lumumbas steht im weiteren Kontext der strukturellen Straflosigkeit für Verbrechen der europäischen Kolonialmächte während der Dekolonisierung. Während die langfristigen Auswirkungen der Kolonialisierung fortbestehen, kann man die Verantwortlichen oft nicht mehr zur Rechenschaft ziehen.