Die gegenwärtige Situation in Palästina ist das Ergebnis einer langen Geschichte systemischer Ungerechtigkeit und jahrzehntelanger Konflikte. Seit dem Sechstagekrieg von 1976 stehen das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen – zusammengefasst als besetzte palästinensische Gebiete – faktisch unter der militärischen Kontrolle Israels. Diese Besatzung unterliegt den Bestimmungen des Völkerrechts. 2004 stellte der Internationale Gerichtshof (IGH) fest, dass die israelische Siedlungspolitik und der Befestigungswall auf palästinensischem Gebiet völkerrechtswidrig sind. 2024 erklärte der IGH in einem weiteren Gutachten die Besatzung für illegal und fordert Israel zum Rückzug auf. Das Gutachten betonte zudem die Pflicht anderer Staaten, die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen.
Trotz dieser Rechtsgutachten setzt Israel seine Politik fort: Der Ausbau illegaler Siedlungen, Zwangsräumungen, Militäroperationen mit gravierenden Folgen für die Zivilbevölkerung sowie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit verschärfen die humanitäre Krise und verletzen die Rechte der Palästinenser*innen. Seit der Machübernahme der Hamas 2007 hat Israel eine vollständige Blockade über den Gazastreifen verhängt, die seither die katastrophalen Lebensbedingungen verschärft. Aufeinanderfolgende Militäroperationen, insbesondere in den Jahren 2009, 2012, 2014, 2018 und 2021, haben die dramatische Lage zusätzlich verschärft und Tausenden Zivilist*innen das Leben gekostet.
Die Situation eskalierte als die Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppen am 7. Oktober 2023 Israel angriffen, u.a. mit willkürlichen Raketenbeschuss, Massentötungen und der Geiselnahme von Zivilist*innen. Diese völkerrechtswidrigen Angriffe werden durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ermittelt.
Israels militärische Reaktion in Form einer anhaltenden und verheerenden Offensive gegen den Gazastreifen führte zu einer beispiellosen Zahl ziviler Opfer und zur Zerstörung ganzer Stadtteile. Gesamte Wohngebiete wurden dem Erdboden gleichgemacht, über 90% der Häuser zerstört und die Bevölkerung systematisch von grundlegender Versorgung wie Wasser, Strom und medizinischer Versorgung abgeschnitten. 50.000 Palästinenser*innen wurden bislang getötet - die Mehrheit davon Zivilist*innen, darunter über 20.000 Kinder. Hunderttausende Menschen wurden verletzt oder dauerhaft beeinträchtigt. Der Zugang zu humanitärer Hilfe bleibt weiter stark eingeschränkt.
Die Dauer und Intensität der Operation stellen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar, darunter der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt, Kollektivstrafen sowie Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur. Völkerrechtsexpert*innen und internationale Institutionen stufen (verurteilen) diese Handlungen als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sogar Genozid ein.
Im November erließ der IStGH Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant. Ihnen werden im Zuge der andauernden Gaza-Offensive begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter das Aushungern der Bevölkerung und Angriffe auf Zivilist*innen. Diese beinhalten das Aushungern als Methode der Kriegsführung und Angriffe gegen die Zivilbevölkerung. Der IStGH nahm auch den Tod von ehemaliger Hamas-Führer zur Kenntnis, für die ebenfalls Haftbefehle erlassen wurden.
Das ECCHR setzt sich für Gerechtigkeit für die Betroffenen von Verbrechen und schwerwiegenden Verstößen gegen das Völkerrecht ein, die in den besetzten palästinensischen Gebieten begangen werden. Diese schweren Verbrechen und systematischen Rechtsverletzungen begründen auch eine Mitverantwortung europäischer und anderer Staaten – etwa durch völkerrechtswidrige Kriegswaffen- und Rüstungsexporten nach Israel. Angesichts der gut dokumentierten Verstöße Israels gegen das Völkerrecht sind alle Drittstaaten verpflichtet, jede Form der Mitwirkung an möglichen Straftaten zu unterlassen.