Einblick
Sozialaudits und Zertifikate
Kontrollen, Zertifikate, Sicherheitsüberprüfungen: Was hilfreich klingt, ist oft bloß Augenwischerei. Die sogenannten Audits zu Sicherheits- und Arbeitsbedingungen nutzen den Arbeiter*innen in den globalen Produktions- und Lieferketten oder den Anwohner*innen in (agro-)industriellen Gebieten meist wenig. Anstatt staatlicher Kontrollen, für die häufig das Geld oder der politische Wille fehlt, übernehmen private Firmen die Überwachung von Arbeits-, Gesundheits- oder Umweltstandards.
Das System der Sozialaudits und Zertifikate trägt dazu bei, dass europäische Abnehmerfirmen vorgeben können, „etwas zu tun“, während die Probleme in der Lieferkette tatsächlich aber verstärkt werden. Letztlich wird der Anschein einer funktionierenden, unabhängigen Kontrolle der Lieferkette erweckt. Das verhindert, dass die verantwortlichen Akteure – Fabrikbesitzer*innen, Hersteller*innen, Händler*innen, aber gerade auch Regierungen – effektive Mechanismen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen entwickeln. Ähnliches gilt für Zertifizierungen, die etwa die Nachhaltigkeit von Plantagen, die Sicherheit von Medizinprodukten oder von gefährlichen Anlagen wie Staudämmen bescheinigen.
Die privaten Kontrollen bringen jedoch immer wieder schwerwiegende Probleme mit sich: Zertifizierungsunternehmen werden teilweise von den zu untersuchenden Betrieben selbst beauftragt und bezahlt – zweifellos ein Interessenkonflikt. Zudem liefern die Audits (oder auch: Konformitätsbewertungen) oft lediglich Momentaufnahmen, insbesondere wenn die Besuche – wie meist der Fall – angekündigt werden. Untersucht werden teils nur Themen mit leicht messbaren Indikatoren, wie angeordnete Überstunden und Brandschutzvorrichtungen. Indem sie zwar diese sichtbar machen, aber andere ignorieren, suggerieren sie, es gäbe keine Probleme wie Druck auf Gewerkschaften, Diskriminierung oder sexuelle Belästigung. Problematisch sind zudem oft die Prüfmethoden: Daten, die ausschließlich vom Management stammen, Arbeiter*innen, die nur in Anwesenheit von Vorgesetzen interviewt werden, oder wenn die Meinung von Gewerkschaften nicht einbezogen wird.
Unsere Fälle machen ein strukturelles Problem sichtbar: Neben den auftraggebenden Unternehmen tragen auch Zertifizierungsunternehmen Verantwortung für Umwelt und Menschenrechte, können aber nur schwer dafür haftbar gemacht werden. Insbesondere in risikoreichen Industrien wie dem Bergbau oder der Textilindustrie dürfen die Verantwortlichkeiten für Sicherheit, Umwelt und Menschenrechte nicht durch eine lange und segmentierte Entscheidungskette verschleiert werden. Eine mögliche Lösung: gesetzliche Standards zur Qualitätskontrolle von Sozial- und Nachhaltigkeitsaudits, ähnlich wie sie für andere Arten der Zertifizierung bereits gelten.