Demokratische Republik Kongo - Bewaffneter Konflikt - Sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt

Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch

Haftstrafen für zwei Führer der FDLR-Miliz

Demokratische Republik Kongo - Bewaffneter Konflikt - Sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt

Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch

Haftstrafen für zwei Führer der FDLR-Miliz

Im September 2015 veurteilte Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die beiden gebürtigen Ruander Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, Führer der Hutu-Miliz FDLR, zu Freiheitsstrafen von 13 bzw. acht Jahren. Der Hauptangeklagte Murwanashyaka wurde wegen Beihilfe an Kriegsverbrechen gemäß dem Völkerstrafgesetzbuch und Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129 b Strafgesetzbuch) verurteilt, sein Stellvertreter Musoni wegen Rädelsführerschaft zu acht Jahren Haft.

Die FDLR soll sexualisierte Gewalt gegen die kongolesische Zivilbevölkerung als Teil der Kampfstrategie angewendet haben und in zahlreichen Fällen geplündert, getötet und schwersten Körperverletzungen begangen haben. Frauen seien vielfach brutal misshandelt worden, und sie seien teilweise an den ihnen zugefügten Verletzungen gestorben. Murwanashyaka soll zwar diese Taten nicht selbst begangen, aber es unterlassen haben, seine Untergebenen daran zu hindern, diese Taten zu begehen (sogegannte Vorgesetztenverantwortlichkeit).

Fall

Der Präsident der Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR) und sein Stellvertreter waren angeklagt, 2008/09 im Osten der Demokratischen Republik Kongo schwere Völkerrechtsverbrechen begangen zu haben. In dem Kriegsverbrecherprozess verhandelte ein deutsches Gericht erstmals eine Anklage nach dem Völkerstrafgesetzbuch, mit dem 2002 das deutsche Strafrecht an die Straftatbestände des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) angepasst wurde.

Das ECCHR hat den Prozess von Anfang an beobachtet und regelmäßig Zwischenberichte dazu veröffentlicht. Im Juni 2016 erschien der Abschlussbericht, der u.a. folgende Fragen analysiert: Taugt der Prozess als Modell für weitere Verfahren in Deutschland? Wie kann die Justiz die Defizite in der Aufarbeitung von Völkerstraftaten, vor allem bei Vorwürfen sexualisierter Gewalt, beheben? Welche Bedeutung hat das Völkerstrafrecht im weltweiten Kampf gegen die Straflosigkeit?

Kontext

Im Ostkongo finden seit Jahren Übergriffe durch die FDLR auf die kongolesische Zivilbevölkerung statt. Die FDLR setzt sich vor allem aus Hutu-Flüchtlingen zusammen, die 1994 und in den Folgejahren aus Ruanda in den Ostkongo flüchteten. Von dort aus kämpft seitdem die FDLR gegen die ruandische Regierung unter Paul Kagame.

Versuche der Vereinten Nationen und der Demokratischen Republik Kongo, die FDLR zu entwaffnen, werden immer wieder mit Rachefeldzügen gegen die kongolesische Zivilbevölkerung beantwortet. Frauen wurden unter anderem massenweise vergewaltigt. Im Frühjahr 2009 intensivierte die FDLR erneut ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Ostkongo.

Themen

Weitere Fälle

Dokumente

Glossar

Kriegsverbrechen sind schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die in bewaffneten Konflikten begangen werden.
Die strafrechtliche Verfolgung des chilenischen Diktators Pinochet hat den Druck auf Verantwortliche von Menschenrechtsverbrechen weltweit erhöht.
Als sexualisierte Gewalt bezeichnet man aggressive Handlungen mit geschlechtlichem Bezug. Sexualisierte Gewalt ist die kontrollierte Ausübung von Macht auf eine Person, nicht das Ausleben sexueller Bedürfnisse.
Bei einer Strafanzeige wird ein Sachverhalt am Internationalen Strafgerichtshof eingereicht, der einen in dessen Zuständigkeit fallenden Straftatbestand erfüllen soll (Völkerstraftaten).
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind Verstöße gegen das Völkerrecht, die durch systematische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet sind.
Das Völkerstrafrecht findet bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen (z. B. Völkermord oder Kriegsverbrechen) Anwendung.
Durch die Vorgesetztenverantwortlichkeit können Vorgesetzte für die Straftaten (z.B. Kriegsverbrechen) eines Untergebenen verantwortlich gemacht werden.