Sexualisierte Gewalt durch Angehörige der russischen Streitkräfte: Generalbundesanwalt muss ermitteln

Ukraine – Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Sexualisierte Gewalt

Folter von Zivilist*innen, willkürliche Tötungen, sexualisierte Gewalt – im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mehren sich die Hinweise auf Völkerrechtsverbrechen durch russische Soldaten. Eine Überlebende fordert nun Ermittlungen in Deutschland: Angehörige der russischen Streitkräfte sollen zuerst ihren Ehemann getötet und sie anschließend mehrfach vergewaltigt haben. Um die in der Ukraine bereits laufende Strafverfolgung zu unterstützen und der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen, reichten die Ukrainian Legal Advisory Group (ULAG) und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Juni 2023 gemeinsam Strafanzeige beim Generalbundesanwalt ein. Diese richtet sich gegen zwei russische Soldaten sowie zwei ihrer Vorgesetzten.  

Fall

Kurz nach Beginn der russischen Großinvasion im Februar 2022 besetzten russische Truppen das Dorf der Überlebenden in der Region Kyjiw. Zwei Soldaten drangen in ihr Anwesen ein, demütigten die Familie, töteten den Ehemann und vergewaltigten die Frau wiederholt. Später wurde das Haus der Familie zerstört, der Überlebenden und ihrem Sohn gelang die Flucht.

Die von ECCHR und ULAG eingereichte Strafanzeige fordert den deutschen Generalbundesanwalt auf, neben den ukrainischen Behörden tätig zu werden. Diese haben zwar bereits ein Verfahren in Abwesenheit gegen einen der Täter eröffnet, eine vollumfängliche Strafverfolgung in der Ukraine selbst ist aber derzeit nicht möglich: Nicht nur erschwert der andauernde Angriffskrieg faktisch die Ermittlungen. Auch stellt das ukrainische Rechtssystem Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht unter Strafe und kennt keine Vorgesetztenverantwortlichkeit. Damit kann die Tat nicht als Teil eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung, also als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, geahndet werden. Auch ist es nicht möglich, gegen diejenigen Vorgesetzten zu ermitteln, die es versäumt haben, die Taten ihrer Untergebenen zu verhindern oder zu ahnden. Um diese Lücken zu schließen, verlangen die beiden Organisationen die Aufnahme von personenbezogenen Ermittlungen in Deutschland auf Grundlage des Weltrechtsprinzips. 

Der vorliegende Fall steht zudem beispielhaft für die Anwendung sexueller Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung: Bis Juni 2023 hat die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft in 208 Fällen von konfliktbezogener sexualisierter Gewalt (CRSV) Ermittlungen aufgenommen, die in verschiedenen Teilen des Landes registriert wurden.

Kontext

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt: Immer wieder gibt es Berichte über die willkürliche Inhaftierung, Deportation oder Hinrichtung von Angehörigen der ukrainischen Zivilbevölkerung. Gleiches gilt für die Anwendung sexualisierter Gewalt, die in weiten Teilen der besetzten Gebiete dokumentiert wurde. Das ECCHR arbeitet gemeinsam mit Betroffenen und Partnerorganisationen aus der Ukraine an ausgewählten Fällen, um die Verantwortlichen für diese Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

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Generalbundesanwaltschaft

Die Generalbundesanwaltschaft ist Deutschlands oberste Strafverfolgungsbehörde.

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Ukraine

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat eine Diskussion darüber in Gang gebracht, wie die Aufklärung und Verfolgung von begangenen Völkerstraftaten gelingen kann. Trotz umfassender Bemühungen seitens der ukrainischen Regierung und Zivilgesellschaft sowie der internationalen Gemeinschaft, diesem Vorhaben Rechnung zu tragen, bleiben entscheidende Fragen bislang aber ungelöst: Offen ist insbesondere die richtige Vorgehensweise, um begangene Straftaten aufzuklären und um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

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