Statt sichere und legale Wege für Schutzsuchende zu schaffen, setzen die Staaten Europas und die EU auf Abschottung, Abschreckung und die Auslagerung (Externalisierung) rechtlicher Verantwortung an Drittstaaten. Den meisten Menschen auf der Flucht bleibt keine andere Alternative als Grenzen irregulär zu überqueren. Wer an Europas Außengrenzen dabei aufgegriffen wird, dem drohen illegale Haft, Gewalt und Pushbacks – meist ohne offizielles Verfahren, ungeachtet der individuellen Situation und ohne Zugang zu Rechtsmitteln.
Cluster
Gewalt & Rechtlosigkeit an Europas Grenzen
fälle (17)
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Litauen – Haft – EGMR
Rechtswidrige Inhaftierung von Asylbewerbern in Litauen
Nach der Flucht aus seiner Heimat Irak reiste Sajjad M im Sommer 2021 als einer der ersten Asylsuchenden von Belarus aus in Litauen ein. Um Schutz in Europa zu finden, nutzten viele Migrant*innen aus dem Nahen Osten und Subsahara-Afrika die von Belarus angebotene Öffnung dieser Route.
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Kroatien – Pushbacks – Sexualisierte Gewalt
Kroatien: Brutale Pushbacks von Geflüchteten und sexuelle Übergriffe
Vier Geflüchtete, die bei einer Pushback-Operation durch kroatische Beamt*innen Ende 2020 Opfer brutaler Misshandlungen und sexueller Gewalt wurden, fordern Gerechtigkeit für das erlittene Unrecht. Mit Hilfe der kroatischen NGO CMS (Centre for Peace Studies) erstatteten sie eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Kroatien.
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Griechenland – Pushbacks – EGMR
Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasst sich in aufgrund zahlreicher Beschwerdeverfahren mit den systematischen, häufig brutalen Pushback-Operationen Griechenlands an der griechisch-türkischen Landgrenze und auf See. Zu acht Fällen mit insgesamt 47 Beschwerdeführer*innen reichte das ECCHR im Juli 2022 eine Drittintervention ein.
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Kroatien/Slowenien – Pushbacks – Minderjährige
Gewaltsame Pushbacks: Unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter klagt vor dem UN-Kinderrechtsausschuss gegen Kroatien und Slowenien
U.F. ist ein minderjähriger und unbegleitet geflüchteter Rohingya aus Myanmar. Zwischen August 2020 und Juli 2021 durchlebte er auf der Suche nach Schutz in Europa eine sogenannte Kettenzurückschiebung von Slowenien und mehrere gewaltsame Zurückschiebungen (Pushbacks) von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina.
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Griechenland – Pushbacks – Parvin A.
Beschwerde gegen Griechenland vor dem UN-Menschenrechtsausschuss
Schwer misshandelt, irregulär inhaftiert und mehrfach gewaltsam aus Griechenland in die Türkei zurückgeschoben – die detaillierten Schilderungen von Parvin A. sowie vielfältiges weiteres Beweismaterial legen die verdeckte und systematische Pushback-Praxis Griechenlands offen. Mit Unterstützung des ECCHR und Forensic Architecture reichte Parvin A. hierzu beim UN-Menschenrechtsausschuss eine Beschwerde gegen Griechenland ein.
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Libyen – Migration – Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Schutzsuchende in Libyen: Der Internationale Strafgerichtshof muss ermitteln
Versklavung, willkürliche Inhaftierung, sexuelle Gewalt – das sind nur einige der schweren Verbrechen, denen Migrant*innen, Geflüchtete und Asylsuchende (im Folgenden: Schutzsuchende) in Libyen systematisch ausgesetzt sind. Um der Straflosigkeit für diese Verbrechen ein Ende zu setzen, reichten das ECCHR, Lawyers for Justice in Libya (LFJL) und die International Federation for Human Rights (FIDH) mit 14 Überlebenden im November 2021 eine Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ein.
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Bulgarien – Pushbacks – EGMR
EGMR verurteilt Bulgariens Pushback-Praxis
Systematische Zurückschiebungen von Geflüchteten und Migrant*innen durch Bulgarien in die Türkei ohne jegliche Überprüfung des individuellen Risikos drohender Menschenrechtsverletzungen verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juli 2021.
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Kroatien – Pushbacks – UN HRC
Pushbacks in Kroatien: Beschwerde vor dem UN-Menschenrechtsausschuss
2018/19 überquerte ein 21-jähriger syrischer Flüchtling die bosnisch-kroatische Grenze, um den und unerträglichen Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern in Bosnien und Herzegowina (BiH) zu entkommen. Zusammen mit anderen Geflüchteten wurde er sechsmal von bewaffneten kroatischen Polizeibeamt*innen kollektiv ausgewiesen. Deshalb reichte er mit Unterstützung des ECCHR eine Beschwerde beim UN-Menschenrechtsausschuss ein und forderte diesen auf, die kroatische Abschiebepraxis zu untersuchen.
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Deutschland – Pushbacks – „Seehofer-Deal“
„Seehofer-Deal“ verweigert Zugang zu Asylverfahren und Rechtsschutz
Deutschland und Griechenland vereinbarten 2018 den sogenannten Seehofer-Deal. Das Abkommen, benannt nach Innenminister Horst Seehofer, legt fest: Geflüchtete und Migrant*innen, die bereits in Griechenland Asyl beantragt haben und dann über Österreich nach Deutschland gelangen, sollen an der Grenze abgewiesen und innerhalb von 48 Stunden nach Griechenland zurückgeschoben werden. Genau das passierte im Fall des Syrers H.T., als er im September 2018 nach Deutschland kam.
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Kroatien – Pushbacks – EGMR
EGMR prüft Kroatiens Rückschiebepraxis
Im Mai 2020 veröffentlichte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Fragenkatalog an die kroatische Regierung anlässlich der Individualbeschwerden von drei Geflüchteten aus Syrien. Die Männer hatten im April 2019 Beschwerden gegen Kroatien eingereicht, weil die kroatische Polizei sie im Oktober 2018 brutal nach Bosnien zurückgeschoben hatte. Die Syrer werden vom ECCHR und PRO ASYL unterstützt.
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Italien – Seenotrettung – Sea-Watch 3
Kriminalisierung von Seenotrettung: ECCHR fordert Eingreifen auf UN-Ebene
Italien kriminalisiert, bedroht und drangsaliert systematisch Seenotretter*innen, die dringend nötige humanitäre Hilfe für Geflüchtete und Migrant*innen auf dem Mittelmeer leisten. Um dem ein Ende zu setzen, hat das ECCHR im Januar 2020 Beschwerde beim UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger*innen eingereicht. Die Beschwerde beschreibt den Fall der Sea-Watch 3 und seiner Kapitänin Carola Rackete.
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Italien – Seenotrettung – Iuventa
Freispruch für Seenotretter*innen der Iuventa
Das Schiff Iuventa rettete Geflüchtete und Migrant*innen im Mittelmeer vor der libyschen Küste. Damit leistete es humanitäre Hilfe für Menschen, die keine Chance auf staatliche Seenotrettung hatten. Im August 2017 aber beschlagnahmten italienische Behörden die Iuventa und verhinderten damit weitere Rettungseinsätze. Im Mai 2022 begann das Vorverfahren gegen viert Mitglieder der Iuventa-Crew.
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Griechenland – Hotspots – EASO
Hotspots in Griechenland: Beschwerde gegen das europäische Asyl-Büro EASO
Eine ECCHR-Analyse der Zulässigkeitsinterviews des euopäsichen Asyl-Büros (EASO) auf den ägäischen Inseln zeigt, dass grundlegende Interviewstandards zu Fairness missachtet werden. Damit wird den Asylsuchenden eine faire Beurteilung ihres Falles und eine sorgfältige Untersuchung ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit verwehrt.
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Spanien – Pushbacks – Minderjährige
UN-Ausschuss verurteilt Spaniens Pushback-Praxis
An der Grenze zu Marokko (in Ceuta und Melilla) nimmt Spanien unbegleitete minderjährige Flüchtende fest und schiebt sie kurzerhand ab. Diese Praxis hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes im Februar 2019 scharf verurteilt. Der Auschuss forderte Spanien auf, die Gesetzgebung zu automatischen Rückschiebungen zu ändern.
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Spanien – Pushbacks – Ceuta
Spanien vor dem UN-Ausschuss gegen Folter
Mindestens 15 Tote und viele Verletzte: Das war die Bilanz eines Einsatzes der Guardia Civil, Spaniens paramilitärischer Polizeieinheit, am 6. Februar 2014 am Strand El Tarajal, an der Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta. Das ECCHR unterstützt Überlebende und Augenzeug*innen des tödlichen Pushbacks bei der juristischen Aufarbeitung.
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Spanien – Pushbacks – Melilla
Der Fall N.D. und N.T. gegen Spanien
N.D. und N.T. gelangten zusammen mit etwa 70 weiteren Personen aus Subsahara-Afrika am 13. August 2014 über die Grenzanlage bei Melilla nach Spanien. Die Guardia Civil, Spaniens paramilitärische Polizeieinheit, schob sie unmittelbar nach Marokko zurück – ohne Verfahren und ohne Rechtsschutzmöglichkeit.
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Nordmazedonien – Pushbacks – Idomeni
Von Idomeni nach Straßburg: Geflüchtete können ihr Recht auf Rechte nicht durchsetzen
Nach der Abriegelung der europäischen Grenzen im Jahr 2016 strandeten tausende Geflüchtete in informellen Flüchtlingslagern in Griechenland. Im März brach eine Gruppe von mehr als 1.500 Geflüchteten von Idomeni nach Nordmazedonien auf, um Sicherheit zu finden. Wenige Kilometer hinter der Grenze wurden sie abgefangen, eingekesselt, auf Lieferwagen verladen, zum Grenzzaun gefahren und von bewaffneten Beamten durch Löcher im Zaun nach Griechenland zurückgezwungen.