EGMR prüft Kroatiens Rückschiebepraxis

Kroatien – Pushbacks – EGMR

Im Herbst 2018 überquerten drei junge Männer aus Syrien – unter ihnen ein unbegleiteter Minderjähriger – die Grenze von Bosnien-Herzegowina nach Kroatien. Nach der Flucht aus Syrien suchten sie Schutz und Sicherheit in Europa. Doch bewaffnete kroatische Polizist*innen schoben sie gemeinsam mit anderen Geflüchteten über die grüne Grenze zurück – mehrfach und stets ohne eine Frage zur persönlichen Situation, geschweige denn der Chance, einen Asylantrag zu stellen. Im Verlauf dieser Push-Backs schlugen die Beamt*innen die Geflüchteten und nahmen sie unrechtmäßig fest.

Die Syrer S.B., A.A. und A.B. reichten im April 2019 mit dem ECCHR und PRO ASYL Individualbeschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Dieser übermittelte daraufhin einen Fragenkatalog an Kroatien zu seiner Rückschiebepraxis, zu dem das Land Stellung nehmen musste. Im April 2021 folgte eine weitere Einreichung der Kläger mit ausführlichen Belegen der systematischen Push-Backs an Kroatiens Grenzen.

Fall

Die Push-Backs der Syrer sind keine Einzelfälle, sondern gängige Praxis an den Grenzen Kroatiens. Regelmäßig führen Polizeibeamt*innen Menschen unter Einsatz von Waffen und teils exzessiver Gewalt zurück nach Bosnien-Herzegowina. Dabei ignorieren sie jegliche Rechte, die Geflüchteten zustehen und handeln, als sei das Grenzgebiet ein rechtsfreier Raum. Belangt aber wurden bisher weder einzelne Beamt*innen noch die kroatische Regierung.

Die drei Beschwerdeführenden machen vor dem EGMR geltend, dass Kroatien mit den Push-Backs gegen Artikel 4 des Protokolls Nummer 4 (Verbot von Kollektivausweisungen) und Artikel 13 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstieß. Angesichts der unmenschlichen Lebensbedingungen für Asylsuchende und des unzureichenden Asylsystems in Bosnien-Herzegowina seien die Abschiebungen zudem ein Verstoß von Artikel 3 (unmenschliche oder erniedrigende Behandlung).

Die Beschwerden stehen in einer Reihe mit weiteren rechtlichen Schritten des ECCHR gegen Push-Backs an den EU-Außengrenzen und entlang der Grenzen innerhalb Europas.

Kontext

Kroatien arbeitet seit Jahren daran, dem EU-Schengenraum beitreten zu dürfen. Offenbar ist die kroatische Regierung bereit, dafür in der Migrations- und Asylpolitik die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen außer Kraft zu setzen.

Seit 2016 kritisieren und dokumentieren z.B. die Menschenrechtskommissarin des Europarates, der UNHCR sowie internationale und lokale NGOs und Aktivist*innen die Kollektivausweisungen aus Kroatien.

Bis zum Winter 2015/16 galt der so genannte Balkan-Korridor als relativ sichere Route für Menschen, die über Griechenland nach Nord- und Westeuropa gelangen wollten. Im Frühjahr 2016 jedoch schotteten die Staaten auf dem Balkan ihre Grenzen ab. Im März 2016 gab der Europäische Rat schließlich bekannt, den „irregulären“ Fluchtbewegungen auf der Balkanroute sei ein Ende gesetzt. Dennoch versuchten die Menschen, den Weg dort fortzusetzen. 

Media

Pushbacks an der Grenze von Kroatien zu Bosnien-Herzegowina © Border Violence Monitoring Network
Pushbacks an der Grenze von Kroatien zu Bosnien-Herzegowina © Border Violence Monitoring Network

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Bei den illegalen Zurückweisungen und Zurückschiebungen, den so genannten Pushbacks, an den EU-Außengrenzen werden elementare Menschen- und Flüchtlingsrechte außer Kraft gesetzt. Doch die Betroffenen sind faktisch rechtlos gestellt und haben kaum Möglichkeiten gegen die Gewaltexzesse vorzugehen. Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in der EU ein.

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