Pushbacks in Kroatien: Beschwerde vor dem UN-Menschenrechtsausschuss

Kroatien – Pushbacks – UN HRC

Zwischen Oktober 2018 und Anfang 2019 überquerte ein 21-jähriger syrischer Flüchtling die bosnisch-kroatische Grenze, um dem dysfunktionalen Asylsystem und unerträglichen Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern in Bosnien und Herzegowina (BiH) zu entkommen. Zusammen mit anderen Geflüchteten wurde er sechsmal von kroatischen Polizeibeamt*innen nach BiH zurückgeschoben. Die Beamt*innen erniedrigten und misshandelten die Geflüchteten, u.a.mit Pfefferspray und Elektoschocks. Ihre Asylanträge wurden kategorisch abgelehnt, es fand keine individuelle Prüfung statt, später wurden sie wurden unter Zwang wieder nach BiH ausgewiesen.

Deshalb reichte der Syrer mit Unterstützung des ECCHR und PRO ASYL eine Beschwerde beim UN-Menschenrechtsausschuss ein und forderte diesen auf, die kroatische Abschiebepraxis zu verurteilen – die erste Beschwerde ihrer Art beim Menschenrechtsratsausschuss (UN HRC). Der UN HRC registrierte die Beschwerde und übermittelte sie im Dezember 2020 an Kroatien.

Fall

Der Fall des Syrers ist kein Einzelfall, Kroatien schiebt seit langem und mit Waffengewalt Migrant*innen und Geflüchtete nach BiH zurück. Das Resultat: eine rechtsfreie Grenzzone, in der jeglicher Rechtsschutz für Geflüchtete und Migrant*innen fehlt.

Kroatien hat neben der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) unterzeichnet. Dennoch missachteten die kroatischen Beamt*innen die Menschenrechte des Beschwerdeführers. In dem Verfahren vor dem UN HRC rügt er deshalb eine Verletzung von Artikel 16 des ICCPR, der das grundlegende Recht auf Anerkennung als Person vor dem Gesetz garantiert. Er macht außerdem geltend, dass Kroatien ihn angesichts der in BiH drohenden unmenschlichen Lebensbedingungen nicht dorthin zurückschieben durfte und somit gegen das Refoulement-Verbot aus Artikel 7 ICCHR verstoßen habe. Da er zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, die Maßnahme rechtlich überprüfen zu lassen, verletzte Kroatien schließlich auch das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel aus Artikel 2 (3) des ICCRR.

 

 

Kontext

Die kollektiven Rückschiebungen von Geflüchteten und Migrant*innen aus Kroatien sind seit Anfang 2016 dokumentiert. Zuvor stellte der sogenannte Balkankorridor eine vergleichsweise sichere Route für Geflüchtete nach Nord- und Westeuropa dar. Im Winter 2015 wurde diese Route nach und nach stillgelegt, mehrere Staaten führten strengere Grenzkontrollen ein.

Im März 2016 verkündete der Europäische Rat, dass die Migrant*innenenbewegungen entlang des Westbalkans „zum Ende gekommen sind“. Tatsächlich war und ist die Balkanroute nie geschlossen gewesen, weiterhin versuchen Menschen, über diese Route in Europa Sicherheit zu finden. Oft werden sie jedoch, wenn sie an der griechischen Küste ankommen sind, in von der EU finanzierten Hotspots untergebracht. Darunter ist auch Moria, eine „Hölle auf Erden“, zehnfach überbelegt, wo körperliche und psychische Gewalt anhält – und die Zahl der Selbstmorde immer weiter steigt.

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Europäische Menschenrechtskonvention

Die Europäische Menschenrechtskonvention legt die geltenden Menschen- sowie Freiheitsrechte in Europa fest.

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Pushbacks

Bei den illegalen Zurückweisungen und Zurückschiebungen, den so genannten Pushbacks, an den EU-Außengrenzen werden elementare Menschen- und Flüchtlingsrechte außer Kraft gesetzt. Doch die Betroffenen sind faktisch rechtlos gestellt und haben kaum Möglichkeiten gegen die Gewaltexzesse vorzugehen. Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in der EU ein.

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