Spanien vor dem UN-Ausschuss gegen Folter

Überlebender der tödlichen Push-Backs an spanisch-marokkanischer Grenze legt Beschwerde wegen mangelhafter strafrechtlicher Ermittlungen ein

Spanien – Pushbacks – Ceuta

Mindestens 15 Tote und viele Verletzte: Das war die Bilanz eines Einsatzes der Guardia Civil, Spaniens paramilitärischer Polizeieinheit, am 6. Februar 2014 am Strand El Tarajal, an der Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta. 

Auch zehn Jahre später suchen die Opfer und ihre Familien weiter nach Gerechtigkeit. Das Verfahren wurde – nach einer zwischenzeitlichen Entscheidung, 16 Beamte anzuklagen und eine Hauptverhandlung durchzuführen – im Oktober 2019 zum dritten Mal durch die Ermittlungsrichterin in Ceuta eingestellt. Beschwerden hiergegen wies das Audienca Provincial in Cádiz zurück. Im Juni 2022 bestätigte auch der Oberste Gerichtshof die Entscheidung. Hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerden von NGOs und Angehörigen der Verstorbenen vor dem Spanischen Verfassungsgericht sind nach wie vor anhängig. 

Im Januar 2024 reichte Ludovic N. wegen der Einstellung der Ermittlungen und der mangelhaften strafrechtlichen Aufklärung des Pushbacks gegen Spanien eine Beschwerde beim Anti-Folter-Ausschuss der Vereinten Nationen ein, mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights.

Fall

Der damals 15-jährige Ludovic N. ist einer von etwa 400 Geflüchteten, die am 6. Februar 2014 versuchten, die Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta vom Meer aus schwimmend zu überwinden. Die Guardia Civil setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen die Menschen im Wasser ein. Als N. versuchte, Halt an der Grenzmole zu finden, unterband ein Beamte dies durch Schläge auf den Arm. Dennoch gelang es ihm, den Strand auf spanischer Seite zu erreichen. Er wurde dort festgenommen und umgehend nach Marokko zurückgechoben. Mindestens 15 Menschen kamen ums Leben, viele weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Insgesamt 23 Personen, deren es wie N. gelang, sich an den Strand zu retten, wurden unmittelbar und ohne rechtliche Prüfung nach Marokko zurückgeschoben.

Die spanische Regierung räumte erst in Folge zahlreicher Videos und Augenzeug*innenberichte ein, dass Gummigeschosse eingesetzt wurden, um die Menschen abzuwehren. Bis heute beharrt die Guardia Civil darauf, dass die Beamt*innen lediglich ins Wasser schossen und keine Menschen verletzten.

Im März 2019 sagte in Berlin erstmals eine der Überlebenden per Videokonferenz aus. N., der vom ECCHR-Partneranwalt Carsten Gericke vertreten wurde, wurde später im Jahr jedoch daran gehindert, seine Aussage zu dem Vorfall zu machen. Bis heute wurde er nicht gehört.

Kontext

Seit 2005 hat sich an den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla an der nordafrikanischen Küste eine Praxis systematischer und summarischer Abschiebungen nach Marokko etabliert. Spanien war zudem das erste europäische Land, das 2015 Pushbacks im nationalen Recht verankerte.

Da es praktisch keinen Zugang zu den spanischen Grenzposten gibt, um dort internationalen Schutz zu beantragen, bleibt den Geflüchteten nichts anderes übrig, als die Grenzanlagen, die Marokko von Spanien trennen, zu überwinden oder zu umgehen.  Insbesondere für Schwarze Menschen wird der Zugang zu den Grenzübergängen durch Racial Profiling erheblich erschwert: Sie werden von den marokkanischen Behörden bereits weit vor der Grenze nach rassistischen Kriterien kontrolliert und weggewiesen.

Dutzende von Menschen, die versucht haben, die Grenze zu überqueren, wurden getötet, viele andere sind verschwunden, und einige wurden verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Die meisten werden gewaltsam nach Marokko zurückgeschoben, wo sie unter katastrophalen Bedingungen und ohne Zugang zu Schutz leben müssen.

Die Gewalt in Ceuta ist symptomatisch für die Praxis systematischer, illegaler Pushbacks unter Missachten der Rechte Schutzsuchender. Dass das Verfahren trotz der Schwere der Rechtsverletzungen und des gravierenden Versäumnisses, die Vorfälle ordnungsgemäß zu untersuchen, nach acht Jahren eingestellt wurde, zeigt exemplarisch die anhaltende Straflosigkeit der Rechtsverletzungen gegen Geflüchtete an der spanischen Grenze.

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Pushback

Pushbacks sind völkerrechtswidrige Zurückweisungen, die an Grenzübergängen von Staaten mit harter Einwanderungspolitik vorgenommen werden.

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Pushbacks

Bei den illegalen Zurückweisungen und Zurückschiebungen, den so genannten Pushbacks, an den EU-Außengrenzen werden elementare Menschen- und Flüchtlingsrechte außer Kraft gesetzt. Doch die Betroffenen sind faktisch rechtlos gestellt und haben kaum Möglichkeiten gegen die Gewaltexzesse vorzugehen. Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in der EU ein.

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