Spanien vor dem UN Ausschuss gegen Folter

Überlebender der tödlichen Pushbacks an spanisch marokkanischer Grenze legt Beschwerde wegen mangelhafter strafrechtlicher Ermittlungen ein

31.01.2024

Endlich Gerechtigkeit und strafrechtliche Aufklärung – das ist das Ziel von Ludovic N. (Name zum Schutz anonymisiert), der 15 Jahre alt war, als er den brutalen Einsatz der Guardia Civil am 6. Februar 2014 an der Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta überlebte. Mindestens 15 Menschen starben damals am Strand El Tarajal. Mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) reichte Ludovic N. wegen der Einstellung der Ermittlungen und der mangelhaften strafrechtlichen Aufklärung des Pushbacks heute gegen Spanien eine Beschwerde beim Anti-Folter-Ausschuss der Vereinten Nationen ein.

Ludovic N. war einer von etwa 400 Menschen, die am 6. Februar 2014 versuchten, die Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta vom Meer aus schwimmend zu überwinden. Die Guardia Civil setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen die Menschen im Wasser ein. Als Ludovic N. versuchte, Halt an der Grenzmole zu finden, schlug ihm ein Beamter auf den Arm. Als es ihm dennoch gelang, den Strand auf spanischer Seite zu erreichen, wurde er dort festgenommen und – ebenso wie weitere 23 Personen, die sich an dorthin retten konnten - umgehend nach Marokko zurückgeschoben.

„Ein Jahrzehnt ist vergangen, und noch immer ist niemand für den Tod und die Verletzung so vieler Menschen verurteilt worden. Die Gewalt an der Grenze setzte sich vor Gericht fort. Auch hier wurden wir nicht wie Menschen behandelt," sagte Ludovic N., der mittlerweile in Deutschland lebt. Er selbst wurde nicht einmal als Zeuge in dem Ermittlungsverfahren zu dem Vorfall angehört.

Erst auf Druck zivilgesellschaftlicher Organisationen hatten die spanischen Behörden strafrechtliche Ermittlungen gegen 16 beteiligte Beamte der Guardia Civil eingeleitet. Im Juni 2022 wurde das Verfahren endgültig eingestellt. 10 Jahre nach den tödlichen Ereignissen macht Ludovic N. daher in seiner Beschwerde beim UN-Ausschuss gegen Folter zahlreiche gravierende Versäumnisse Spaniens bei den Ermittlungen geltend.

„Mit der Beschwerde wollen wir erreichen, dass Spanien die Ermittlungen zu den Ereignissen in Tarajal wiederaufnimmt. Es geht darum, der Straflosigkeit der Gewalt an der Grenze ein Ende zu setzen", sagte Rechtsanwalt Carsten Gericke, Verfahrensbevollmächtigter des Beschwerdeführers und Partneranwalt des ECCHR.

„Das brutale Vorgehen in Playa del Tarajal steht stellvertretend für die rassistische und tödliche Grenzpolitik Europas und zeigt die völlige Missachtung von Menschenleben - insbesondere von Schwarzen. Ceuta und Melilla dienen als Europas Versuchslabor für die Rechtlosigkeit an den EU-Außengrenzen", sagte Hanaa Hakiki vom ECCHR. Die Beschwerde von Ludovic N. ist Teil einer Reihe von rechtlichen Aktivitäten des ECCHR gegen die systematischen Menschenrechtsverletzungen, die mit den Pushbacks an den EU-Außengrenzen einhergehen.

Die Liste der Verfahrensmängel im Fall El Tarajal ist lang: Leichen wurden nicht identifiziert, Überlebende nicht angehört, und Familien der Opfer wurden daran gehindert, sich an dem spanischen Gerichtsverfahren zu beteiligen.

„Es gibt immer noch keine Wahrheit, keine Gerechtigkeit, keine Entschädigung für die Familien und keine Garantie, dass sich das Verbrechen nicht wiederholt", sagte Elena Muñoz von der Spanischen Kommission zur Unterstützung von Flüchtlingen (CEAR). „Es gibt immer noch keine Wahrheit, keine Gerechtigkeit, keine Entschädigung und keineAls Nebenkläger im Strafverfahren fordern wir nach wie, dass das Recht auf Leben für die Migrant:innen an der spanischen Grenze anerkannt wird."

Auch die betroffenen Familien und Gemeinden versammeln sich anlässlich des 10. Jahrestages des tödlichen Ereignisses und demonstrieren weiterhin für Gerechtigkeit und ein Ende der Straflosigkeit. „Der Fall Tarajal hatte zur Folge, dass noch mehr Gewalt an den Grenzen toleriert wurde. Dies führte letztlich zum Massaker von Melilla am 24. Juni 2022", sagte Sani Ladan von der Asociación Elin, Ceuta.

Unter folgenden Links finden Sie weitere Informationen (auf Englisch) über Ludovic N und den Fall.

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