Bildmaterial beweist gewaltsame Pushback-Praxis

Kroatien und Slovenien vor dem UN-Menschenrechtsauschuss

Kroatien/Slowenien – Pushbacks – Folter

Im November 2020 wurde schockierendes Bildmaterial in deutschen und schweizer Medien veröffentlicht: Man sieht einen unter großen Schmerzen leidenden Mann direkt, nachdem er von kroatischen Grenzbeamt*innen geschlagen und informell über die grüne Grenze Bosnien und Herzegowina (BiH) zurückgezwungen. Dies war einer der ersten veröffentlichten Video-Beweise für die brutalen Pushbacks durch kroatische Beamt*innen – nachdem die Regierung jahrelang die Existenz dieser Praxis geleugnet hatte. Der Mann aus dem Video, I.M., verklagt nun mit Unterstützung des ECCHR Kroatien und Slowenien vor dem UN-Menschenrechtsausschuss wegen mehrerer Verstöße gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR).

Fall

Nachdem I.M. einen Bombenangriff im umkämpften, pakistanisch verwalteten Staat Asad Kaschmir überlebt hatte, brach er nach Europa auf. Auf dem Weg wurde er mehrfach gewaltsam von Kroatien nach Bosnien und Herzegowina (BiH) zurückgeschoben, einschließlich eines Ketten-Pushbacks aus Slowenien.

Im März 2020 überquerte I.M. in einer Gruppe die kroatische Grenze und erreichte nach einem tagelangen Fußmarsch Slowenien. Dort wurden sie von der Polizei aufgegriffen und festgenommen. Die Beamt*innen weigerten sich, Asylgesuche aufzunehmen und einen Zugang zu Anwält*innen zu gewähren. Stattdessen zwangen sie I.M. dazu, vorgefertigte Dokumente zu unterschreiben, die er nicht verstand. Im Folge dessen wurde er und die die weiteren Mitglieder seiner Gruppe ohne die Möglichkeit, die Rückführung nach Kroatien anzufechten, offiziell an kroatische Beamt*innen übergeben. Diese transportiere die Gruppe an die Grüne Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Dort zwangen vermummte kroatische Beamt*innen die Gruppe, sich auszuziehen, und verbrannten ihre Habseligkeiten. I.M. wurde mit einem selbstgebauten Werkzeug geschlagen, an seinem Hals zum Grenzfluss gezerrt und anschließend gezwungen, durchs Wasser zurück nach Bosnien zu gehen.

Ein anderer Betroffener konnte I.M. direkt nach diesem Pushback filmen. Das Videomaterial wurde durch Jack Sapoch zu der Zeit bei der NGO No Name Kitchen sowie durch Der Spiegel und SRF ausgewertet. Die Aufnahmen zeigen im Hintergrund die verantwortlichen Beamt*innen, die andere Personen schlugen, bevor sie sie nach BiH zurückschoben. Die Analyse ergab Übereinstimmungen von Teilen der Uniformen der Beamt*innen mit denen der kroatischen Sicherheitskräfte.

Vor dem UN-Menschenrechtsausschuss reichte I.M. Beschwerden gegen Kroatien wegen seiner Misshandlung sowie gegen Kroatien und Slowenien wegen der Pushbacks, des Mangels an wirksamen Rechtsbehelfen und der vorsätzlichen Behinderung seines Zugangs zu seinen Rechten und rechtlichen Schutzmaßgarantien ein. Er beruft sich auf Verletzungen der Artikel 7, 2(3) und 16 IPbpR. I.M. wird von Rechtsanwalt Carsten Gericke vertreten. Das Verfahren wurde zudem durch die Juristin, Iza Thaler, unterstützt.

Kontext

Kroatien setzt seit 2016 eine staatliche Politik von Pushbacks um, die von NGOs, Journalist*innen und Menschenrechtsinstitutionen umfassend dokumentiert ist. Die Pushback-Operationen finden verdeckt und ohne rechtsstaatliche Kontrolle statt, beinhalten extreme Gewalt und werden unter völliger Straflosigkeit durchgeführt. Trotzdem wurde der Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum im Jahr 2023 ausdrücklich mit der Erwartung verknüpft, die Migration in die EU über die Außengrenzen noch weiter zu reduzieren.

Slowenien reaktivierte im Juni 2018 ein Rückübernahmeabkommen mit Kroatien, das eine beschleunigte Rückführung von Menschen auf der Flucht ermöglicht. Der anschließende starke Anstieg der Rückführungen nach Kroatien, zusammen mit einem Rückgang der registrierten Asylanträge an den slowenischen Grenzen, zeigt, wie Slowenien das Abkommen genutzt hat, um den Zugang zu Schutz zu beschränken. Diese Rückübernahmen können als Paper- Pushbacks bezeichnet werden, da zwar eine formelle Registrierung erfolgt, jedoch keine individuelle Prüfung des Schutzbedarfs und sie ohne Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes vollzogen werden.. Insbesondere wird das hohe Risiko von Misshandlungen durch kroatische Beamt*innen dabei vollständig ignoriert.

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