Folter in Guantánamo: Spanien stellt Ermittlungen gegen „Bush Six“ ein

USA – Guantánamo – Spanien

Im März 2009 stellte der ECCHR-Kooperationsanwalt Gonzalo Boye in Spanien Strafanzeige gegen sechs ehemalige US-Beamte der Bush-Regierung, unter ihnen die Ex-Regierungsjuristen John Yoo and Jay Bybee. Das Ziel: Die sogenannten „Bush Six“ sollen für Verstöße gegen das Völkerrecht zur Verantwortung gezogen werden. Sie werden beschuldigt, zu Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung im US-Gefangenenlager Guantánamo angestiftet und diese unterstützt zu haben. Zudem werden ihnen schwerwiegende Verletzungen der Genfer Konventionen aus dem Jahre 1949 vorgeworfen.

Das ECCHR vertritt in dem Verfahren den Bremer Murat Kurnaz, der von Januar 2002 bis August 2006 in Guantánamo inhaftiert war und dort gefoltert wurde. Auch das das Center for Constitutional Rights (CCR) aus New York unterstützt den Fall.

Fall

Bis 2014 war Weltrechtsprinzip fest im spanischen Recht verankert. Seit einer Gesetzesreform darf die spanische Justiz heute nur noch zu Völkerstraftaten ermitteln, wenn die Täter*innen spanische Staatsbürger*innen oder in Spanien lebende Ausländer*innen sind. Nach sechs Jahren strafrechtlicher Untersuchungen beschloss deswegen der Nationale Gerichtshof Spaniens im Juli 2015, die Ermittlungen zu US-Folter in Guantánamo einzustellen.

Die Beschwerde, die das ECCHR zusammen mit dem CCR daraufhin beim spanischen Verfassungsgericht einreichte, wurde im März 2019 endgültig zurückgewiesen. Das Gericht ignorierte bei seiner Entscheidung die Hinweise auf spanische Tatverdächtige. Damit hat Spanien seine Chance auf eine Vorreiterrolle in der Aufarbeitung von US-Folter vertan. Die „Bush Six“ bleiben weiterhin straflos. Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder der UN wird geprüft.

Kontext

Das absolute Folterverbot gehört zu den zentralen, universell geltenden Normen des Völkerrechts. Gerade die Regierungen in Europa und den USA setzen sich verbal gern dafür ein, dass das Folterverbot weltweit eingehalten wird. Umso schwerwiegender ist es deswegen, dass die USA seit 2001 im Namen der „Terrorismusbekämpfung“ die eigenen rechtsstaatlichen Prinzipien außer Kraft setzten und gezielt Personen, die sie des Terrorismus verdächtigten, entführten und in Gefangenenlagern folterten.

Die „Bush Six“ spielten bei der Verletzung des grundlegenden Folterverbots eine maßgebliche Rolle. Den sechs Beamten wird vorgeworfen, die Foltermethoden der US-Behörden in Guantánamo und im Irak juristisch gerechtfertigt und damit der systematischen Folterpraxis den Weg geebnet zu haben.

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Zitate

Personen

Die sechs Regierungsbeamten, die als "Bush Six" bekannt wurden, sind: David Addington (vormals Counsel und Chief of Staff des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney); Jay Bybee (vormals Assistant Attorney General, Office of Legal Counsel, Department of Justice); Douglas Feith (vormals Under Secretary of Defense for Policy, Department of Defense); Alberto Gonzales (vormals Counsel des Präsidenten George W. Bush, ehemaliger US-Attorney General); William J. Haynes (vormals General Counsel, Department of Defense) und John Yoo (vormals Deputy Assistant Attorney General, Office of Legal Counsel, Department of Justice).

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Definition

Amicus Curiae Brief

Ein Amicus Curiae Brief (dt. Freund des Gerichts) ist ein Schriftsatz an ein Gericht, in dem eine am Verfahren nicht selbst beteiligte Person oder Organisation rechtliche Argumente und eine Handlungsempfehlung für einen vor Gericht ausgetragenen Fall darlegen kann.

Themen (5)

Einblick

Doppelstandards

In Fragen der Menschenrechte messen Entscheidungsträger*innen der westlichen Demokratien allzu oft mit „zweierlei Maß“. Während der Globale Norden oft Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Ländern des Globalen Südens öffentlich verurteilt und – teilweise – auch strafrechtlich verfolgt, entziehen sich Politiker*innen und Militärs, Unternehmer*innen und Manager*innen im Globalen Norden meistens der Verantwortung. Völkerstraftaten wie Folter, Verschwindenlassen oder Drohnenangriffe gegen Zivilist*innen werden selten geahndet. Es scheint, als würden andere Standards für die Verletzung von Menschenrechten gelten, wenn sie von westlichen Staaten begangen werden.

Diesen Doppelstandards des Globalen Nordens setzt das ECCHR gezielte juristische Interventionen entgegen: Die Straflosigkeit der Mächtigen muss beendet und  Machtstrukturen verändert werden. Die Einzelfälle des ECCHR zielen deswegen auch immer darauf ab, politische, wirtschaftliche und rechtliche Lücken sichtbar zu machen und so die Entscheidungsträger*innen im Globalen Norden zu zwingen, ihre Doppelstandards zu hinterfragen – und im besten Fall zu beenden.

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