Überwachung in Syrien: Europäische Firmen im Verdacht der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Syrien – Überwachungstechnologie – Unternehmensverantwortung

Die syrischen Geheimdienste, insbesondere der Militärgeheimdienst, sammeln seit Jahren anlasslos Informationen über politisch unliebsame Personen, Mitglieder der Opposition und Menschenrechtsakvist*innen. Zahlreiche Berichte aus Syrien lassen darauf schließen, dass die Regierung von Präsident Baschar al-Assad die abgefangenen Daten unter anderem dazu nutzt, Kritiker*innen zu identifizieren, festzunehmen, in Verhören unter Druck zu setzen. Damit geht das Spionieren Hand in Hand mit Folter und erpressten Geständnissen.

Zur Überwachung kann – nach Informationen aus Syrien – unter anderem Software von Unternehmen wie der deutschen Utimaco und ihrer französischen und italienischen Partnerfirmen Qosmos SA und Area S.p.A. beigetragen haben. Der Fall führte in Frankreich und Italien zu Verfahren, bisher gibt es jedoch keinerlei transnationale Ermittlungen.

Um diese Lücke zu schließen, reichte das ECCHR gemeinsam mit zwei Syrer*innen im Januar 2018 beim Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe Strafanzeige gegen hochrangige Mitarbeitende des syrischen Militärgeheimdienstes, von Syrian Telecom sowie der deutschen Utimaco ein. Der Vorwurf: Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

Fall

Laut der Informationen des ECCHR unterstützte Utimaco noch im Jahr 2011 – als in Syrien die Proteste gegen die Assad-Regierung begannen – ein zentralisiertes Überwachungssystem von Syrian Telecom. Das Unternehmen gilt als regierungsnah und wird offenbar von den syrischen Geheimdiensten kontrolliert. Partnerunternehmen von Utimaco waren dabei Area S.p.A. aus Italien und Qosmos SA aus Frankreich.

Die hochrangigen Mitarbeitenden von Syrian Telecom  und die Mitglieder des Militärgeheimdiensts – so verschiedene Hinweise – leiteten die im Geheimen beschafften Informationen an den syrischen Repressionsapparat weiter. Dieser nutzte die Informationen unter anderem zur Einschüchterung, Misshandlung, Folter und Tötung von Menschenrechtsaktivist*innen und Oppositionellen.

Kontext

Der Fall Utimaco/Syrien ist ein Beispiel dafür, wie die komplexen Exportwege von sogenannten Dual-Use-Gütern, also u.a. Überwachungssoftware, eine effiziente Kontrolle und Strafverfolgung in der Europäischen Union erschweren. Während wirtschaftliche Akteur*innen global agieren, beschränkt sich die Justiz auf nationale Ermittlungen.

Der Generalbundeswalt hat keine Ermittlungen gegen Utimaco eingeleitet, jedoch die Informationen aus der Strafanzeige dem Strukturermittlungsverfahren zu Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Syrien beigefügt.

In Frankreich wurde 2014 gegen Qosmos ein Strafverfahren wegen Beihilfe zur Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eröffnet. In Italien wird gegen Area S.p.A. wegen Außenwirtschaftsrechtsverstößen ermittelt.

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Die Generalbundesanwaltschaft ist Deutschlands oberste Strafverfolgungsbehörde.

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Die Rechtslage ist eindeutig: Folter ist unter allen Umständen verboten. Wer Folter anwendet, anordnet oder billigt, muss sich dafür vor Gericht verantworten. So sieht es die UN-Antifolterkonvention vor. 146 Staaten haben die Konvention ratifiziert.

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