Erster Prozess weltweit zu Folter in Syrien ab 23. April vor dem OLG Koblenz

Jetzt müssen weitere Haftbefehle und Anklagen folgen

10.03.2020

Berlin, 10. März 2020 – Die Regierung von Baschar al-Assad lässt in Syrien systematisch foltern. Nun nutzt die deutsche Justiz das Weltrechtsprinzip und setzt ein wichtiges Zeichen für die Überlebenden und Betroffenen von Assads Unterdrückungs- und Folter-System: Am 23. April beginnt vor dem Oberlandesgericht Koblenz der erste Strafprozess weltweit zu Staatsfolter in Syrien. Hauptangeklagter ist Anwar R., ehemals Funktionär des Allgemeinen Geheimdienstdirektorats. Das ECCHR unterstützt in dem Verfahren 16 Frauen und Männer aus Syrien, von denen 9 sich als Nebenkläger dem Verfahren anschließen wollen, die anderen kommen als Zeugen in Betracht.

"In Syrien genießen Geheimdienstmitarbeiter völlige Straffreiheit. Es ist unvorstellbar, dass sie verhaftet, geschweige denn zu Verantwortung gezogen werden. In Deutschland sehe ich nun, dass es sehr wohl möglich ist", sagt ein Syrer , der in der Haftanstalt der sogenannten Al-Khatib-Abteilung in Damaskus inhaftiert war und dort gefoltert wurde. "Ich habe erlebt, dass Gefangene zu Tode gefoltert wurden. Ich hoffe, dass Anwar R. verurteilt wird." Als Leiter der Ermittlungen in der Haftanstalt soll Anwar R. als Mittäter für die Folter von mindestens 4.000 Menschen, die Tötung von 58 Menschen und sexuelle Gewalt verantwortlich sein.

"Der Prozess in Koblenz ist ein wichtiger Schritt, wenn auch nur ein Anfang auf dem langen Weg zur Gerechtigkeit. Es braucht weitere Haftbefehle wie den vom Bundesgerichtshof gegen Jamil Hassan", sagte Patrick Kroker, Leiter des Syrien-Projekts des ECCHR. "Ob in Deutschland, Österreich, Schweden oder Norwegen: Das Ziel ist, hochrangige Funktionäre des Sicherheitsapparates von Assad vor Gericht zu bringen – denn sie sind verantwortlich für Folter, sexuelle Gewalt, Hinrichtungen und das 'Verschwindenlassen' zehntausender Menschen in Syrien."

Die Arbeit zu dem Verfahren in Koblenz ist Teil einer Reihe von Strafanzeigen zu Folter in Syrien, die das ECCHR gemeinsam mit mehr als 50 Syrern – Folterüberlebenden, Angehörigen, Aktivisten und Anwälten – seit 2016 in Deutschland, Österreich, Schweden und Norwegen eingereicht hat.

In Schweden und Österreich führten die Anzeigen bereits zu Ermittlungen. Das wichtigste Signal aber kam bisher aus Deutschland: Im Juni 2018 erließ der Bundesgerichtshof einen internationalen Haftbefehl gegen Jamil Hassan, bis Juli 2019 Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes. Hierbei spielten die gemeinsamen Anzeigen des ECCHR und seiner syrischen Partnerorganisationen beim Generalbundesanwalt eine wichtige Rolle.

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