Die Hungerblockade von Yarmouk: Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien

Syrien – Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Bewaffneter Konflikt

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage nach dem Weltrechtsprinzip gegen fünf Männer erhoben, die unter Verdacht stehen, im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk in Damaskus Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen zu haben. Vor dem Oberlandesgericht Koblenz müssen sich ab dem 19. November 2025 vier mutmaßlichen Mitglieder der syrischen Miliz “Free Palestine Movement” (FPM) und ein mutmaßlicher syrischer Geheimdienstmitarbeiter wegen Tötung, Folter und Freiheitsberaubung verantworten. Darüber hinaus sind Mord und der Einsatz verbotener Methoden der Kriegsführung Teil der Anklage. 

Fall

Im Zuge der syrischen Revolution kam es ab 2011 in Yarmouk - bekannt als “Hauptstadt der palästinensischen Diaspora” - zu Massenprotesten gegen das Assad-Regime. Die Regierung und ihre verbündeten Milizen, darunter auch die FPM, die das Lager kontrollierten, gingen brutal gegen die Proteste vor. Darunter auch die angeklagten Milizionäre: Laut Bundesanwaltschaft beteiligten sie sich am 13. Juli 2012 an der gewaltsamen Niederschlagung einer friedlichen Demonstration gegen das syrische Regime. In der Folge wurde die Bevölkerung von Yarmouk ab Dezember 2012 belagert.

Im Juli 2013 wurde das Yarmouk in Damaskus vollständig abgeriegelt. Rund 18.000 eingeschlossene Zivilist*innen waren fortan von der Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und humanitärer Hilfe abgeschnitten. Etwa 200 Zivilisten starben in Folge von Hunger und Typhus, bis das Regime das Lager 2015 mit Fassbomben nahezu vollständig zerstörte. “Belagern, aushungern, zur Aufgabe zwingen“ wurde zu einer Kriegsstrategie, mit der das Assad-Regime brutal gegen Hunderttausende Zivilist*innen in von der Opposition kontrollierten Gebieten vorging.

Kontext

Das ECCHR arbeitet seit 2012 intensiv an der völkerstrafrechtlichen Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien und unterstützt Überlebende der Verbrechen in Yarmouk, die sich an dem Verfahren als Nebenkläger*innen beteiligen wollen.

Nach dem Weltrechtsprinzip kann Deutschland Völkerstraftaten unabhängig davon verfolgen, wer sie begangen hat, wo sie begangen wurden oder gegen wen sie gerichtet waren. Deutschland nimmt in der Aufarbeitung der Verbrechen des syrischen Regimes spätestens seit dem Al-Khatib-Verfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz eine wegweisende Rolle ein. Die Bundesanwaltschaft hat 2014 ein Strukturermittlungsverfahren zu den Verbrechen nichtstaatlicher Akteure im syrischen Konflikt eröffnet.

Über Jahre hinweg haben Verfahren nach dem Weltrechtsprinzip eine zentrale Rolle bei der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen des syrischen Regimes gespielt – oft als einziger Weg für Betroffene, Gerechtigkeit zu erfahren. Der Sturz des Assad Regimes nach 54 Jahren Diktatur und 13 Jahren blutigem Bürgerkrieg eröffnet neue Wege der juristischen Aufarbeitung der Diktaturverbrechen, welche zuvor verschlossen waren. Wie genau ein Prozess der Aufarbeitung und Wiedergutmachung aussehen soll, diskutieren nun die syrische Zivilgesellschaft zusammen mit der internationalen Gemeinschaft.

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Definition

Generalbundesanwaltschaft

Die Generalbundesanwaltschaft ist Deutschlands oberste Strafverfolgungsbehörde.

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Folter

Die Rechtslage ist eindeutig: Folter ist unter allen Umständen verboten. Wer Folter anwendet, anordnet oder billigt, muss sich dafür vor Gericht verantworten. So sieht es die UN-Antifolterkonvention vor. 146 Staaten haben die Konvention ratifiziert.

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