Von Idomeni nach Straßburg: Geflüchtete können ihr Recht auf Rechte nicht durchsetzen

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushback

Nordmazedonien – Pushbacks – Idomeni

Nach der Abriegelung der europäischen Grenzen im Jahr 2016 strandeten tausende Geflüchtete in informellen Flüchtlingslagern in Griechenland. Im März brach eine Gruppe von mehr als 1.500 Geflüchteten von Idomeni nach Nordmazedonien auf, um Sicherheit zu finden. Wenige Kilometer hinter der Grenze wurden sie abgefangen, eingekesselt, auf Lieferwagen verladen, zum Grenzzaun gefahren und von bewaffneten Beamten durch Löcher im Zaun nach Griechenland zurückgezwungen. Im April 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Dieser Massen-Pushback verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Fall

Die acht Beschwerdeführer*innen, eine Gruppe von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten hatten im September 2016 mit Unterstützung des ECCHR und von PRO ASYL wegen der Pushbacks Individualbeschwerden gegen Nordmazedonien eingelegt. Sie prüfen nun, Rechtsmittel gegen das Urteil aus Straßburg einzulegen.

In der Beschwerde hatten sie geltend gemacht, dass die nordmazedonischen Beamten und Soldaten vor Ort die menschenverachtenden Umstände, vor denen sie aus Griechenland geflohen waren, ignorierten hatten. Ihnen war auch keine Möglichkeit eingeräumt worden, die Zurückschiebung rechtlich überprüfen zu lassen. Die Betroffenen mussten in das informelle Flüchtlingslager von Idomeni zurückkehren, obwohl dort zur damaligen Zeit weit über 10.000 Menschen ohne staatliche Unterstützung unter erbärmlichen humanitären Bedingungen ausharrten. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Kollektivausweisungen von Individuen ohne die Bewertung der Umstände jedes Einzelfalls (Artikel 4 4. Zusatzprotokoll).

Kontext

Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in Europa ein. PRO ASYL dokumentiert seit 2012 zahlreiche Pushback-Operationen in der Ägäis und unterstützte Klagen von Überlebenden des Grenzüberwachungseinsatzes von Farmakonisi vor den EGMR.

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Definition

Europäische Menschenrechtskonvention

Die Europäische Menschenrechtskonvention (auch: Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) ist 1953 in Kraft getreten. Sie legt die geltenden Menschen- sowie Freiheitsrechte in Europa fest. Die Konvention kann nur von Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg überwacht die Einhaltung der in der Konvention festgelegten Verpflichtungen.

Themen (1)

Einblick

Pushbacks

Kilometerlange und mit Stacheldraht gesicherte Grenzzäune, tausende hochtechnisierte Patrouillen zur See, zur Luft und zu Land; Rückschiebevereinbarungen mit den Anrainerstaaten: Die Europäische Union betreibt viel Aufwand, um Menschen, die versuchen, Krieg, Verfolgung und Elend in ihren Herkunftsländern zu entkommen, abzuwehren. Zur Rechtfertigung heißt es in Brüssel und den Mitgliedstaaten, die Rückschiebungen seien politisch notwendig und rechtlich zulässig.

Doch fast jede Woche kentern oder sinken Schiffe und Boote mit Geflüchteten vor Italien und Malta. Regelmäßig berichten Betroffene und Zeug*innen von Misshandlungen an den Grenzen Griechenlands zur Türkei. Immer wieder sterben Menschen, bei dem Versuch die spanisch-marokkanische Grenze zu überwinden. All dies belegt auf dramatische Weise das Versagen der Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU – und insbesondere der Abschiebepraxis.

Bei den illegalen Zurückweisungen und Zurückschiebungen, den so genannten Pushbacks, an den EU-Außengrenzen werden elementare Menschen- und Flüchtlingsrechte außer Kraft gesetzt. Doch die Betroffenen sind faktisch rechtlos gestellt und haben kaum Möglichkeiten gegen die Gewaltexzesse vorzugehen.

Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in der EU ein und unterstützt die Betroffenen von Pushbacks bei der juristischen Aufarbeitung einzelner Aktionen.

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