Brutale Polizeiaktion in Mexiko: Verantwortung von deutscher Waffenfirma Heckler & Koch

Mexiko – Waffenexporte – Heckler & Koch

Im Februar 2019 verurteilte das Landgericht Stuttgart Mitarbeitende des Waffenherstellers Heckler & Koch wegen illegaler Lieferung von Sturmgewehren nach Mexiko. Das Landgericht hatte geprüft, ob Heckler & Koch zwischen 2006 und 2009 Gewehre des Typs G36 an die Polizei im Bundesstaat Guerrero lieferte, obwohl die deutschen Behörden den Export nicht genehmigt hatten. Die Richter*innen kamen zu dem Schluss: Die Genehmigung für den Export von mehr als 4200 Sturmgewehren wurden mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen erschlichen.

2021 bestätigte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil weitgehend. Von Heckler & Koch werden mehr als drei Millionen Euro aus dem illegalen Mexiko-Geschäft eingezogen. Das Gericht argumentierte außerdem: Endverbleibserklärungen sind nicht Teil von Exportgenehmigungen, sondern müssen gesondert betrachtet werden – ein wegweisendes Urteil mit Sprengkraft für die gesamte deutsche Rüstungsexportkontrolle.

Fall

Der Fall Hecker & Koch wurde bekannt durch eine Polizeiaktion in der Nacht auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala. Mexikanische Sicherheitskräfte griffen damals Student*innen aus der Hochschule von Ayotzinapa an. Bei der Polizeiaktion wurden sieben Studierende getötet, 43 weitere wurden „verschwunden“ gelassen und mutmaßlich von den Sicherheitskräften an ein Verbrechersyndikat ausgeliefert. Von den Studierenden fehlt bis heute jede Spur. Viele andere wurden verletzt, auch Aldo Gutiérrez Solano, der seitdem im Koma liegt. Nach Erkenntnissen der mexikanischen Ermittler*innen schossen mindestens sieben Polizisten mit G36-Gewehren, die aus den nicht genehmigten Lieferungen stammten.

Im September 2016 beantragte das ECCHR im Namen des Studenten, dessen Interessen von seinen Eltern wahrgenommen werden, Akteneinsicht im Stuttgarter Strafverfahren – ein erster Schritt, um den Betroffenen der Waffenlieferungen auch in Deutschland zu Gerechtigkeit zu verhelfen. Der Antrag sollte aufzeigen, dass Verfahren gegen Rüstungsexporteure nicht allein mit Blick auf deutsches Außenwirtschaftsrecht geführt werden können, wurde jedoch abgelehnt. Damit wurden die konkreten Folgen für Betroffene von Waffenlieferungen in den Empfängerländern außer Acht gelassen.

Kontext

In dem Fall des illegalen Exports der G36-Sturmgewehre waren mehrere mexikanische Bundesstaaten, die die Bundesregierung offenbar als kritisch einstufte, nicht als Empfänger in den Endverbleibserklärung (EVE) aufgeführt. Dennoch gelangten die Gewehre dorthin. Die Leidtragenden waren – wie so oft – Zivilist*innen. Die EVE waren bisher ein Kernstück der deutschen und europäischen Rüstungsexportkontrolle. Sie dokumentieren gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden vorab, wo die exportierten Waffen eingesetzt werden sollen.

Media

Aktion in Gedenken an die 43 "verschwundenen" Studenten aus Ayotzinapa (Mexiko). © Foto: Ohne Rüstung Leben
Aktion in Gedenken an die 43 "verschwundenen" Studenten aus Ayotzinapa (Mexiko). © Foto: Ohne Rüstung Leben

Dokumente (3)

Presse (2)

Glossar (4)

Definition

Akteneinsicht

In Deutschland darf ein bestimmter Personenkreis in einem Gerichtsverfahren um Akteneinsicht bitten. Dies ergibt sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Akten werden vom ausführenden Gericht aufbewahrt und dürfen auf Anfrage eingesehen, abgelichtet oder abgeschrieben werden. Beschränkt werden kann das Recht auf Akteneinsicht durch den Schutz der Daten anderer Beteiligter oder aus ermittlungstaktischen Gründen.

Themen (2)

Einblick

Verschwindenlassen

Das Verschwindenlassen von Menschen beinhaltet die schwere Verletzung mehrerer fundamentaler Menschenrechte und dient häufig dazu, weitere Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern. In Lateinamerika verschwanden in den 1970er und 80er Jahren Tausende Oppositionelle, die in den meisten Fällen gefoltert und getötet wurden oder über deren Schicksal bis zum heutigen Tage nichts bekannt ist. Ähnliches gibt es heutzutage etwa aus Sri Lanka oder dem Nordkaukasus zu berichten.

Die Täter*innen des Verschwindenlassens sind nicht nur die Entführer*innen und Bewacher*innen, sondern auch diejenigen, die den Angehörigen wider besseren Wissens Informationen über das Schicksal des oder der Verschwundenen vorenthalten. Um diese mehrfache Verletzung fundamentaler Menschenrechte stärker bekämpfen zu können, haben die Vereinten Nationen 2006 eine Konvention gegen das Verschwindenlassen erarbeitet, die die Bundesrepublik Deutschland im September 2009 ratifiziert hat.

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