Sondergerichtsbarkeit für Frieden in Kolumbien muss Verantwortlichkeit von Vorgesetzten einschließen

Kolumbien – Friedensprozess – Übergangsjustiz

Die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Vorgesetzten (command responsibility) ist eines der wichtigsten juristischen Prinzipien in der internationalen Strafjustiz. Bei Völkerstraftaten handelt es sich um systematische Verbrechen, deswegen müssen auch die Hauptverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu gibt es völkerrechtlich entwickelte Standards wie den Artikel 28 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).

Kolumbien – als Mitgliedsstaat des IStGH – hat in der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Regierung und der FARC im April 2017 jedoch ein Gesetz im Kongress verabschiedet, das den Standards des IStGH nicht genügt.

Fall

Auf diese völkerrechtliche Konsequenz hat das ECCHR das kolumbianische Verfassungsgericht in einem Amicus Curiae Brief (Rechtsgutachten), den es im Juli 2017 im Rahmen der Überprüfung der Normen über die Sonderjustiz für den Frieden in Bogotá vorgelegt hat, hingewiesen.

Das ECCHR unterstreicht in dem Gutachten, dass die mehrfach geänderten Formulierungen des Gesetzes zu Lücken bei der Strafbarkeit führen, etwa wenn es um die effektive Kontrolle von militärischen Vorgesetzten über ihre nachgeordneten Einheiten geht, oder dass die die Anforderungen an eine Strafbarkeit von Vorgesetzten durch eine Vielzahl von Bedingungen zu hoch gesetzt wird. Das Gutachten bezieht sich insbesondere auch auf das erste Urteil aufgrund von individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Vorgesetzten, die der IStGH im März 2016 im Fall Bemba fällte.

Kontext

Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt, der insbesondere die Zivilbevölkerung betrifft. Menschenrechts­verteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen wurden als „Guerilla“ stigmatisiert und hierdurch als angeblich legitime militärische Ziele für die kolumbianische Armee und paramilitärische Gruppen, die häufig auch zusammenarbeiten, gekennzeichnet.

Die Situation in Kolumbien, die zugleich exemplarisch für viele weltweit wiederkehrende Menschenrechtsprobleme steht, bildet einen Schwerpunkt der Arbeit des ECCHR. Ziel seiner Arbeit ist, die Verantwortlichen dieser internationalen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

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Zitate

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Definition

Amicus Curiae Brief

Ein Amicus Curiae Brief (dt. Freund des Gerichts) ist ein Schriftsatz an ein Gericht, in dem eine am Verfahren nicht selbst beteiligte Person oder Organisation rechtliche Argumente und eine Handlungsempfehlung für einen vor Gericht ausgetragenen Fall darlegen kann.

Themen (1)

Einblick

Kolumbien

Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt, der insbesondere die Zivilbevölkerung betrifft. Menschenrechts­verteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivis*innen wurden (und werden) als "Guerilla" stigmatisiert und hierdurch als angeblich legitime militärische Ziele für die kolumbianische Armee und paramilitärische Gruppen, die häufig auch zusammenarbeiten, gekennzeichnet.

Wegen des Ausmaßes und der Dauer der Gewalt sowie wegen ihrer Bedeutung für eine freie und demokratische Gesellschaft müssen die Verbrechen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen in Kolumbien dringend verhindert und auch juristisch aufgearbeitet werden. Gleiches gilt für die weit verbreitete sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die alle Akteure des Konflikts begehen und die nicht zuletzt Teil der Militärstrategie ist. Hier geht es vor allem darum, der Straflosigkeit hochrangiger Verantwortlicher ein Ende zu setzen.
 
Ein weiteres Problem ist die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Folge der Geschäftspraktiken transnationaler Unternehmen. Wie auch anderorts auf Welt wird die Rolle von Unternehmen bei Menschenrechtsverbrechen auch in Kolumbien selten untersucht – geschweige denn vor Gericht gebracht.
 
Daher stellt die Situation in Kolumbien, die zugleich exemplarisch für viele weltweit wiederkehrende Menschenrechtsprobleme steht, einen Schwerpunkt der Arbeit des ECCHR dar und wir versuchen, die am meisten Verantwortlichen dieser internationalen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

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