Kolumbien: ECCHR-Gutachten zur Verantwortlichkeit von Vorgesetzten in der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden

27.07.2017

Berlin/Bogotá, 28. Juli 2017 – Die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Vorgesetzten (engl. command responsibility) ist eines der wichtigsten juristischen Prinzipien in der internationalen Strafjustiz. Bei Völkerstraftaten handelt es sich um systematische Verbrechen, deswegen müssen auch die Hauptverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu gibt es völkerrechtlich entwickelte Standards wie den Artikel 28 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).

Kolumbien – als Mitgliedsstaat des IStGH – hat in der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Regierung und der FARC im April 2017 jedoch ein Gesetz im Kongress verabschiedet, das den Standards des IStGH nicht genügt.

„Bestätigt das kolumbianische Verfassungsgericht das Gesetz unverändert, droht die Straflosigkeit hoher Verantwortungsträger – vor allem innerhalb des Militärs – nicht nur fortzubestehen, sondern zementiert zu werden“, sagte Andreas Schüller, Leiter des Programmbereichs „Völkerstraftaten und Verantwortung“ des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin. „Sollte dies eintreten, müsste der IStGH einschreiten und die Ermittlungen gegen hochrangige Militärs in Kolumbien an sich ziehen.“ Auf genau diese völkerrechtliche Konsequenz hat das ECCHR das kolumbianische Verfassungsgericht in einem Amicus Curiae Brief (Rechtsgutachten), den es am 28. Juli 2017 im Rahmen der Überprüfung der Normen über die Sonderjustiz für den Frieden in Bogotá vorgelegt hat, hingewiesen.

Das ECCHR unterstreicht in dem Gutachten, dass die mehrfach geänderten Formulierungen des Gesetzes zu Lücken bei der Strafbarkeit führen, etwa wenn es um die effektive Kontrolle von militärischen Vorgesetzten über ihre nachgeordneten Einheiten geht, oder dass die Anforderungen an eine Strafbarkeit von Vorgesetzten durch eine Vielzahl von Bedingungen zu hoch gesetzt wird. Das Gutachten bezieht sich insbesondere auch auf das erste Urteil aufgrund von individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Vorgesetzten, die der IStGH im März 2016 im Fall Bemba fällte.

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