Edeka und Rewe verstoßen gegen Lieferkettengesetz

Menschenrechtsverletzungen auf Bananenplantagen

Ecuador – Lieferketten – Supermärkte

Gesundheitsschäden durch den Einsatz giftiger Pestizide, Unterdrückung von Gewerkschaften, Diskriminierung von älteren, weiblichen und migrantischen Arbeiter*innen und Löhne unter dem Existenzminimum: Immer wieder haben Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen, wie unsere Partnerorganisation Oxfam, auf die systematischen Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht, denen Arbeiter*innen auf Bananen- und Ananasplantagen in Ecuador und Costa Rica ausgesetzt sind. In diesem Kontext haben sie auch an die Verantwortung deutscher Supermarktketten appelliert, die aus diesen Ländern einen Großteil ihrer Bananen und Ananas beziehen.

Nun hat das ECCHR gemeinsam mit der ecuadorianischen Gewerkschaft der Landarbeiter*innen und Bäuer*innen im Bananensektor ASTAC, Oxfam und Misereor beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Beschwerde gegen Rewe und Edeka eingereicht. Den Supermarktketten wird vorgeworfen, bisher keine wirksamen und angemessenen Schritte zu unternehmen, um die Menschenrechtsverletzungen in ihrer Bananenlieferkette zu verhindern und damit ihren Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettengesetz gerecht zu werden. Sie profitieren zudem nicht nur von den niedrig gehaltenen Löhnen und der laschen Durchsetzung des Arbeitsschutzes auf ecuadorianischen Plantagen, sondern tragen insbesondere mit ihrer Einkaufspolitik durch den massiven Preisdruck aktiv zur Ausbeutung der Arbeiter*innen bei.

Fall

Die Beschwerden beruhen auf zahlreichenden dokumentierten Menschenrechtsverstößen auf ecuadorianischen Plantagen, die deutsche Supermarktketten mit Bananen und Ananas beliefern: Einerseits kam es zum gesundheitsgefährdenden Einsatz von Pestiziden, die zum Teil mit Flugzeugen und Drohnen über den Plantagen ausgebracht wurden, während die Arbeiter*innen sich dort aufhielten. Zweitens stellten Oxfam und ASTAC Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit fest, indem Arbeiter*innen etwa aufgrund ihrer Gewerkschaftsarbeit entlassen oder bedroht wurden. Drittens dokumentierten unsere Partnerorganisationen wiederholt die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, da oftmals nicht der örtliche Mindestlohn, geschweige denn ein existenzsichernder Lohn gezahlt wurde. Sie erfassten zudem Fälle von Diskriminierung älterer Arbeiter*innen die kurz vor ihrem Erwerb von Pensionsansprüchen entlassen wurden, von Frauen, die für die gleiche Arbeit weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen verdienten sowie von besonders extremer Ausbeutung migrantischer Arbeiter*innen.

Im Sommer 2023 hat Oxfam daher gemeinsam mit der ecuadorianischen Gewerkschaft der Landarbeiter*innen und Bäuer*innen im Bananensektor ASTAC und der costa-ricanische Gewerkschaft der Plantagenarbeiter*innen SITRAP die Supermarktketten Aldi, Edeka, Lidl und Rewe über die dokumentierten Verstöße informiert. Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet sie dazu, Menschenrechtsverstöße in ihren Lieferketten festzustellen, zu verhindern oder zu beseitigen. Die Supermarktketten wurden daher aufgefordert, die ihnen übermittelten Hinweise auf Arbeits- und Menschenrechtsverstöße bei ihren Zulieferern zu untersuchen und unter angemessener Beteiligung und auf Augenhöhe mit den Betroffenen und ihren gewerkschaftlichen Vertreter*innen auf eine Beseitigung der dokumentierten Missstände hinzuwirken.

Aldi und Lidl haben sich den Vorwürfen gestellt und verhandeln inzwischen mit den Gewerkschaften und ihren Zulieferern über geeignete Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen. Edeka und Rewe haben zwar auf die Beschwerden reagiert,  veranlassten jedoch keine ausreichenden, wirksamen Schritte, um die Arbeiter*innen besser zu schützen und Menschenrechtsrisiken in der Bananenindustrie zu verhindern. Sie waren weder bereit, sich auf Augenhöhe mit den betroffenen Gewerkschaften zu treffen, noch Verantwortung für die Zahlung existenzsichernder Löhne durch eine veränderte Bananenpreispolitik zu übernehmen. Vielmehr verstecken sie sich weiterhin hinter Audits und Zertifizierungen - etwa des WWF oder der Rainforest Alliance - trotz der zahlreichen Hinweise und Aussagen von Betroffenen, dass diese bisher nicht dazu in der Lage waren, die Missstände aufzudecken und zu tatsächlichen Verbesserungen vor Ort beizutragen. 

Mit den am 2. November 2023 eingereichten Beschwerden beim BAFA will das ECCHR gemeinsam mit seinen Partnern die rechtlichen Möglichkeiten des LkSG nutzen, um sicherzustellen, dass die importierenden Supermarktketten ihrer Verantwortung für die Arbeiter*innen in ihrer Lieferkette nachkommen und wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten zu unterbinden

Kontext

In Ecuador dominierte in den vergangenen Jahren eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die auf ausländische Direktinvestitionen setzt. Mit dem Ziel, Investitionen anzuziehen und Produkte günstig zu exportieren, werden Arbeitsschutzmaßnahmen abgebaut und Löhne niedrig gehalten. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Bananenindustrie - mit verheerenden sozialen Folgen für die ecuadorianischen Arbeiter*innen.

Die einkaufenden deutschen Supermärkte profitieren nicht nur von den niedrig gehaltenen Löhnen und der laschen Durchsetzung des Arbeitsschutzes in Ecuador, sondern tragen insbesondere durch massiven Preisdruck aktiv zur Ausbeutung der Arbeiter*innen bei. Ein Viertel der Bananen in deutschen Supermärkten kommt aus Ecuador, womit das Land der größte Bananenlieferant für den deutschen Markt ist. Die Tatsache, dass Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten aller vier großen Supermarktketten vorkommen, verdeutlicht die strukturelle Dimension des Problems. Das LkSG verpflichtet die Supermärkte, ihren Einfluss zu nutzen und die Produktionsbedingungen insbesondere durch eine verantwortungsvolle Preis- und Einkaufspolitik zu verbessern. 

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Bananenplantage © CC BY-SA 4.0 Deed
Bananenplantage © CC BY-SA 4.0 Deed

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Sorgfaltspflicht

Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten besagen, dass ein Unternehmen durchgehende Risikountersuchungen durchführen sollte, um sicherzustellen, dass keine menschenrechtlichen Standards verletzt werden.

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