Wenn ein autoritäres Regime ein Land regiert, steht die Zivilgesellschaft fast immer unter massivem Druck. So auch in Gambia, wo von 1994 bis 2017 Yahya Jammeh die Regierung führte. Seine Streit- und Sicherheitskräfte schufen eine Atmosphäre der Angst, in der die Zivilgesellschaft und kritische Stimmen systematisch eingeschüchtert wurden. Kritische Journalist*innen wurden verhaftet, Menschenrechtsverteidiger*innen verfolgt, LGBTQ* bedroht und gefoltert.
Besonders berüchtigt war eine Einsatztruppe, die für Jammeh gezielt unliebsame Personen ausschaltete. Ein mutmaßlicher Fahrer der sogenannten Junglers wird nun in Deutschland vor Gericht gestellt. Im April 2022 begann das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle. Die Menschenrechtsverletzungen des Jammeh-Regimes sind bereits seit Dezember 2017 Gegenstand einer Wahrheitskommission in Gambia. Jammeh selbst floh 2017 nach einer verlorenen Präsidentschaftswahl nach Äquatorialguinea.
Bai L. war laut Anklage von 2003 bis 2006 Fahrer der Junglers, in diesem Zeitraum soll die Einheit einen Journalisten und einen Oppositionellen getötet sowie einen Rechtsanwalt lebensgefährlich verletzt haben. Ihm wird vorgeworfen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, indem er die Einheit zu den jeweiligen Tatorten brachte.
Das ECCHR unterstützt beratend die Organisation TRIAL International und Anwalt Reed Brody in ihren Bemühungen um rechtliche Aufarbeitung und arbeitet dafür mit gambischen Aktivist*innen und der Zivilgesellschaft zusammen.
Das Verfahren in Deutschland findet auf Grundlage des Weltrechtsprinzips statt, nach dem schwerste Verbrechen angeklagt werden können, auch wenn sie ohne Bezug zur Bundesrepublik begangen wurden. In dem Zusammenhang muss das Gericht auch den größeren politischen Kontext der angeklagten Taten untersuchen. Sollte Bai L. für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden, können entsprechende Erkenntnisse auch in mögliche zukünftige Verfahren gegen höherrangige Täter einfließen.
Anders als etwa in den Fällen gegen syrische Geheimdienstmitarbeiter, zu denen das ECCHR arbeitet, findet im Fall der Jammeh-Diktatur auch vor Ort in Gambia eine Aufarbeitung des Unrechts statt. Ab Januar 2019 untersuchte die gambische Truth, Reconciliation and Reparations Commission die Verbrechen des Regimes in öffentlichen Anhörungen und durch Ermittlungen an den Tatorten. In ihrem Abschlussbericht, der im Dezember 2021 veröffentlicht wurde, beleuchtete sie auch die Rolle der Junglers und empfahl die Strafverfolgung von Bai L. und weiteren Mitgliedern der Einheit.