Umweltschutz versus Investitionsrecht – Der Fall der Goldmine in Roșia Montană, Rumänien

Rumänien – Ressourcenausbeutung – Goldbergbau

Die Anwohner*innen der Gemeinde Roșia Montană und umliegender Dörfer in Rumänien wehren sich seit zwei Jahrzehnten gegen die Errichtung der größten Goldmine Europas – bisher mit Erfolg. Durch politischen Widerstand und zahlreiche Gerichtsverfahren haben sie erreicht, dass der rumänische Staat die erheblichen Umweltrisiken, den drohenden Verlust des kulturellen Erbes und ihre Eigentumsrechte anerkennt.

Das kanadisch-britische Bergbauunternehmen Gabriel Resources verklagt darum Rumänien in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) auf 4,4 Milliarden Dollar Schadenersatz. Das ECCHR unterstützt die Anwohner*innen von Roșia Montană, denn auch ihre Rechte müssen in diesem Verfahren berücksichtigt werden.

Fall

Im November 2018 reichte das ECCHR gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen ClientEarth und dem Center for International Environmental Law (CIEL) im Namen mehrerer rumänischer Organisationen einen Amicus Curiae Brief (Rechtsgutachten) beim International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) ein. Dieser wurde vom Schiedsgericht angenommen. Das Tribunal lehnte es jedoch ab, die Zeug*innenaussagen der Betroffenen sowie die rechtlichen Argumente zu berücksichtigen.

Das Gutachten legt im Namen der rumänischen Organisationen Alburnus Maior, Independent Center for the Development of Environmental Resources (ICDER) und Greenpeace Romania dar, dass die Rechte lokaler Anwohner*innen sowie die besondere kulturelle, archäologische und landschaftliche Bedeutung der Gegend in und um Roșia Montană berücksichtigt werden müssen.

Das ICSID-Tribunal hat im Oktober 2022 einen zweiten Amicus Curiae Brief im ISDS-Fall Gabriel Resources gegen Rumänien zugelassen. Der von Greenpeace Romania und ICDER eingereichte Brief enthält die Entscheidung des Berufungsgerichts Ploiești vom Februar 2022, das in einem endgültigen Urteil die letzte archäologische Entlastungsbescheinigung für die geplante Goldmine annullierte. Das Berufungsgericht in Ploiești kam zu dem Schluss, dass die archäologische Entlastungsbescheinigung unrechtmäßig ausgestellt wurde. Das bedeutet, dass in dem Gebiet keine Bau- oder Bergbauarbeiten hätten durchgeführt werden dürfen und zeigt erneut welche maßgebliche Rolle die Versäumnisse des Investors für das gescheiterte Minenprojekt spielen.

Am 8. März 2024 wies das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) die Entschädigungsforderungen von Gabriel Resources zurück. Das Unternehmen wurde außerdem dazu verurteilt, Rumänien die Kosten für das Schiedsverfahren zu erstatten. Das ECCHR und seine Partnerorganisationen fordern das ICSID nun auf, das Urteil zu veröffentlichen. Dies würde für Transparenz über das Verfahren und die Ergebnisse sorgen. Dies würde auch den Anwohner*innen und den Bürger*innen Rumäniens, die über zwanzig Jahre lang dafür gekämpft haben, dieses Projekt zu stoppen, ein Gefühl der Gerechtigkeit vermitteln.

Kontext

20 Jahre schon dauert das Tauziehen zwischen den Anwohner*innen von Roșia Montană und rumänischer Zivilgesellschaft mit der rumänischen Regierung einerseits und mit dem kanadisch-britischen Investor Gabriel Resources andererseits.

In der Gegend von Roșia Montană in Transsylvanien war der Abbau von Gold im offenen Tagebau unter Einsatz hochgiftigen Zyanids geplant, womit erhebliche Umweltrisiken verbunden sind. Vier Berge sollten zu diesem Zweck abgetragen und die Bewohner*innen dreier Dörfer umgesiedelt werden. Außerdem gefährden die Minenpläne in Roșia Montană eine der bedeutendsten archäologischen Fundstätten Rumäniens. Das Schiedsverfahren ist der letzte Schritt im juristischen Streit um die Mine.

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Rumänien: Roșia Montană in Transsylvanien © Foto: CIEL
Rumänien: Roșia Montană in Transsylvanien © Foto: CIEL

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Zitate

Grundlagen

Dieses Q&A informiert über die rechtlichen Grundlagen des Roșia-Montană-Falls.

Roșia Montană ist ein Goldabbauprojekt in Rumänien, in dem die in der Umgebung des gleichnamigen rumänischen Dorfes gelegenen Goldvorkommen erschlossen werden sollen. Roșia Montană liegt in einer gewässerreichen Region in Transsylvanien, deren Flüsse in die Donau münden. Das Projekt geht wegen des geplanten Einsatzes von hochgiftigem Zyanid mit erheblichen Umweltrisiken einher. Außerdem müssten für die geplante Goldmine vier Berge abgetragen und die Bewohner*innen von drei Dörfern umgesiedelt werden. Zudem ist eine der bedeutendsten archäologischen Fundstätten Rumäniens gefährdet.

Das kanadisch-britische Unternehmen Gabriel Resources ist mit einem Anteil von 81 Prozent der Hauptinvestor der rumänischen Rosia Montana Gold Corporation (RMGC), die den Goldabbau um Roșia Montană durchführen sollte. Dafür erhielt RMGC im Jahr 1999 eine Abbaulizenz. Die restlichen 19 Prozent an RMGC hält das rumänische Unternehmen Minvest Roșia Montană.

Unmittelbar und am stärksten von dem Roșia-Montană-Projekt betroffen sind die Bewohner*innen von drei Dörfern, die für den Goldabbau umgesiedelt werden sollten. Die Umweltrisiken des Projekts sind noch deutlich weitreichender. So war ein Stausee geplant, um 200 Tonnen zyanidhaltigen Abwassers durch den Goldabbau aufzufangen. Da es in Rumänien bereits im Jahr 2000 zur Umweltkatastrophe kam, als Zyanid aus dem Baja-Mare-Goldtagebau austrat und das Wasser von 2,5 Millionen Menschen verseuchte sowie 1.200 Tonnen Fische tötete, sind die Bewohner*innen von Roșia-Montană alarmiert.

Der Widerstand gegen das Projekt prangert zudem Korruption, Intransparenz und mangelhafte Mitbestimmung bei wichtigen politischen Entscheidungen an. Aufgrund dieser Missstände, so sehen es die individuell Betroffenen, fällt sowohl das Verhalten des rumänischen Staates als auch das von Gabriel Resources hinter grundlegende demokratische Standards zurück. In diesem Sinne ist die rumänische Gesellschaft als Ganze betroffen und auch mobilisiert. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass die Initiative "Salvati Roșia Montană" (Rettet Roșia Montană) heute mehr als 100.000 Unterstützer*innen hat und die größte zivilgesellschaftliche Bewegung in Rumänien seit 1989 ist. Bei Demonstrationen gegen das Projekt gingen bis 2013 zehntausende Menschen auf die Straße.

Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) ist eine bei der Weltbank in Washington angesiedelte Institution zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. Das ICSID ist selbst kein Gericht oder Schiedsgericht. Es bietet aber einen festen institutionellen Rahmen und prozessuales Regelwerk zur Durchführung von Investor-Staat-Schiedsverfahren. Die Parteien einigen sich für jeden konkreten Fall auf drei Schiedsrichter*innen.

Oberstes Ziel des zivilgesellschaftlichen Widerstands war es bisher, das Projekt aufgrund der genannten Probleme und Risiken zu verhindern. In dem ICSID-Verfahren geht es nun darum, den rumänischen Staatshaushalt nicht mit der Entschädigungsforderung von 3,3 Milliarden US-Dollar zu belasten und darauf zu drängen dass kein Kompromiss getroffen wird, der weiterhin die Rechte der Anwohner*innen und den Umweltschutz außer Acht lässt. Weiterhin soll das Verfahren klarstellen, dass Unternehmen nur dann den Schutz des internationalen Investitionsrechts genießen dürfen, wenn sie sich an nationale Gesetze und internationale Standards halten. Zudem könnte der Fall zum Präzedenzfall für die stärkere Berücksichtigung menschen- und umweltrechtlicher Standards in Investitionsstreitigkeiten werden.

Gabriel Resources will feststellen lassen, dass das Verhalten des rumänischen Staates einen Verstoß gegen das rumänisch-kanadische Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaty – BIT) darstellt und erhofft sich eine Entschädigung in Höhe von 3,3 Milliarden US Dollar plus Zinsen.

Im Rechtsstreit vor dem ICSID sind Gabriel Resources (als Investor) und der rumänische Staat Parteien. In der Regel wird ein ICSID-Verfahren durch einen Antrag des Investors eingeleitet. Innerhalb von 90 Tagen ab diesem Antrag soll sich das Schiedsgericht konstituieren. Der weitere Verfahrensgang ist abhängig von der jeweiligen Vereinbarung der Parteien. Vor Erlass eines Schiedsspruches können vorläufige Maßnahmen getroffen, mündliche Verhandlungen durchgeführt und Beweise erhoben werden.

In Verfahren vor dem ICSID werden die Belange "Dritter" grundsätzlich nicht berücksichtigt. Gemeinsam mit der Intransparenz der Verfahren ist diese Vorgehensweise einer der Hauptkritikpunkte am ICSID: Die Interessen von Menschen, die unmittelbar von dem jeweiligen Investitionsprojekt betroffen sind, werden nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn beachtet. So werden beispielweise von einem Bauprojekt betroffene Menschen nicht gehört. Dies gilt auch für Fälle, in denen nicht zu erwarten ist, dass sich der Staat vor dem Gericht für die Interessen der betroffenen Bevölkerung stark macht, weil beispielsweise die die Regierung stellende Bevölkerungsmehrheit die vom Projekt betroffene Minderheit diskriminiert oder aus anderen Gründen die Belange der Bevölkerung nicht berücksichtigt.

Allerdings können nach Artikel 37 der ICSID-Verfahrensordnung sowie den Vorgaben in den individuellen Investitionsschutzabkommen auch Dritte, sogenannte non-disputing parties, zum Verfahren zugelassen werden und Stellungnahmen abgeben. Das kanadisch-rumänische Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaty – BIT) sieht vor, dass die Verfahren für die Öffentlichkeit zugänglich sind (Annex C Artikel I). Bei einer Einreichung von Gutachten Dritter sieht das BIT vor, dass diese zugelassen werden, wenn sie für das Tribunal hilfreich sind und Informationen enthalten, die über diejenigen der Parteien hinausgehen, wenn die einreichenden Personen ein signifikantes Interesse an dem Fall haben oder wenn ein öffentliches Interesse besteht (Annex C Artikel III).

Die Stellung einer non-disputing party ist dabei der Stellung eines Amicus Curiae in anderen Verfahren vergleichbar.

Das Gericht entscheidet ausschließlich auf Grundlage des zwischen den Parteien vereinbarten Rechts (Artikel 42 ICSID-Konvention), also in der Regel des anwendbaren Investitionsschutzabkommens (Bilateral Investment Treaty – BIT) und des ICSID-Verfahrensrechts. BITs sind bilaterale völkerrechtliche Verträge, die zwischen einzelnen Staaten abgeschlossen werden und eine Gleichbehandlung der Investoren aus dem jeweiligen Land mit Investoren aus einem Drittstaat sicherstellen sollen. Darüber hinaus sollen sie politische Risiken für Investoren minimieren. Zu diesem Zweck ermöglichen die BITs unter bestimmten Voraussetzungen, dass auch der Verlust von Genehmigungen oder eine nachträgliche, für den Investor nachteilige Veränderung der Rechtslage, zu Entschädigungsansprüchen führen kann.

Welcher der BITs Anwendung findet, hängt vom Herkunftsland des Investors ab und davon, in welchem Land die Investition getätigt wurde. Ein Verfahren vor dem ICSID ist nur möglich, wenn zwischen dem Herkunfts- und Gastland ein BIT abgeschlossen wurde, das den Investor schützt. Zwischen Gabriel Resources und Rumänien findet unter anderem das kanadisch-rumänische BIT und die ICSID-Verfahrensordnung Anwendung.

Andere Rechtsgrundlagen des Völkerrechts, wie etwa die UN-Menschenrechtspakte oder das Umweltvölkerrecht können in Verfahren vor dem ICSID berücksichtigt werden. Häufig verweisen schon die BITs neben dem eigentlichen Vertrag auch nachrangig auf das allgemeine Völkerrecht. Schiedsgerichte haben auch ohne eine solche Nennung nach Artikel 31 Absatz 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtkonvention die Möglichkeit, bei der Auslegung des Vertrages weitere Völkerrechtssätze heranzuziehen. Zu diesen Rechtssätzen können auch die Vorgaben der UN-Menschenrechtspakte und des internationalen Umweltrechts zählen. In der Entscheidungspraxis des ICSID war eine solche Auslegung bislang aber die Ausnahme.

Die Schiedssprüche des ICSID sind bindend und in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen der Unterzeichnerstaaten unmittelbar vollstreckbar. Eine weitere innerstaatliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit erfolgt nur in Ausnahmefällen. Die Parteien des Verfahrens können zwar beim ICSID eine Annullierung beantragen, allerdings gelten dafür strenge Voraussetzungen. Zudem steht dieses Mittel Dritten nicht zur Verfügung. Bisher wurde noch keine Entscheidung wegen mangelnder Berücksichtigung umweltrechtlicher oder menschenrechtlicher Standards aufgehoben.

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Definition

Amicus Curiae Brief

Ein Amicus Curiae Brief ist ein Schriftsatz an ein Gericht, mit dem man eine rechtliche Stellungnahme einreicht.

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Das ECCHR sieht die Verantwortung für die Gefährdung von Menschenrechten und Umwelt bei denen, die von der global organisierten Wirtschaft am meisten profitieren. Zusammen mit den Betroffenen von Umwelt- und Geundheitsschäden arbeitet das ECCHR daran, dass deren Recht auf Gerechtigkeit global durchzusetzen.

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