Die Bundesregierung will in ihrer heutigen Kabinettssitzung den Gesetzentwurf für ein Lieferkettengesetz verabschieden. In einer aktuellen Stellungnahme begrüßt das zivilgesellschaftliche Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“ zwar grundsätzlich das Vorhaben, menschenrechtliche und umweltbezogene Vorgaben für Unternehmen verbindlich zu regeln. Gleichzeitig kritisiert das Bündnis, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung geltende internationale Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen und der OECD unterlaufe.
„Ziel eines Lieferkettengesetzes muss es sein, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu verhindern, bevor sie eintreten – und zwar nicht nur bei direkten Zulieferern, sondern entlang der gesamten Lieferkette. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verfehlt dieses Ziel“, kritisiert Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz. „Beschließt das Kabinett den Entwurf in dieser Form, sind die Abgeordneten des Bundestags in der Pflicht: Sie müssen Nachbesserungen einfordern und dafür eintreten, dass das Gesetz internationalen Standards entspricht.“
Die Kritik der Zivilgesellschaft bezieht sich insbesondere darauf, dass der Gesetzentwurf die Sorgfaltspflichten von Unternehmen abstuft: In vollem Umfang sollen sie nur für den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer gelten. Bei mittelbaren Zulieferern sollen Unternehmen nicht proaktiv Risiken analysieren, sondern erst aktiv werden, wenn sie „substantiierte Kenntnis“ von einer möglichen Menschenrechtsverletzung erlangen. Das widerspricht den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Nach diesem international anerkannten Menschenrechtsstandard stehen Unternehmen in der Verantwortung, Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu achten.
Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR, erklärt: „Ob auf den Tee- und Kakao-Plantagen oder in den Bergbau-Minen und Textilfabriken: Die meisten Menschenrechtsverletzungen finden am Beginn der Lieferketten statt. Hier muss das Lieferkettengesetz wirken, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, auch ohne Hinweise von außen die Risiken entlang ihrer gesamten Lieferkette zu analysieren.“
Das Bündnis kritisiert darüber hinaus, dass der deutsche Gesetzentwurf keine zivilrechtliche Haftungsregelung enthalte, auf die sich Betroffene berufen könnten – anders als das französische Sorgfaltspflichtengesetz und die bisherigen Pläne für eine EU-Regulierung. Zudem seien Umweltstandards nur am Rande berücksichtigt und die Anzahl der erfassten Unternehmen massiv reduziert worden.
Miriam Saage-Maaß, stellvertretende Legal Director des ECCHR, betont: „Ohne zivilrechtliche Haftungsregel bleiben Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen weiterhin so gut wie chancenlos vor Gericht. Zugang zu Recht und Entschädigungen für Betroffene müssen zentraler Bestandteil eines wirksamen Lieferkettengesetzes sein.“
Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland, unterstreicht: "Der Gesetzesentwurf berücksichtigt Umweltschäden nur marginal, sanktioniert aber nicht die Zerstörung von Artenvielfalt oder die Schädigung des Klimas. Im Bundestag muss jetzt vor allem die CDU Farbe bekennen und zu ihren christlichen Werten stehen. Sie muss den schlechten Entwurf in ein wirksames Gesetz verwandeln oder dazu stehen, Profit von Unternehmen vor Menschenrechte und Umweltschutz zu stellen.”
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss von 125 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter MISEREOR, ECCHR und Greenpeace Deutschland sowie zahlreichen weiteren Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren.