Italien vereitelt Festnahme eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers

Die Regierung Meloni missachtet einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den Libyer Osama Elmasry Njeem, als dieser sich in Italien aufhält

31.01.2025

Per Haftbefehl wird Osama Elmasry Njeem seit dem 18. Januar 2025 vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gesucht – wegen Mord, Folter, Vergewaltigung und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen. Als er am 19. Januar im italienischen Turin festgesetzt wird, vergehen nur wenige Stunden, bevor der italienische Geheimdienst den libyschen General und hochrangigen Polizeichef befreit und außer Landes fliegt. Vor seiner Verhaftung in Italien hatte Njeem Europa bereist und sich auch in Deutschland aufgehalten. 

Italiens Verhalten missachtet das Völkerrecht obwohl das Land Mitglied des IStGH ist. Als Unterzeichner des Rom-Statuts ist es laut Artikel 89 verpflichtet, „dem Ersuchen um Festnahme und Überstellung  Folge zu leisten“.  Im Falle von Osama Elmasry Njeem argumentieren die italienischen Behörden mit angeblichen „Verfahrensfehlern“. Anwält*innen und Wissenschaftler*innen widersprechen dieser Behauptung entschieden und äußern ernsthafte Bedenken hinsichtlich einer politischen Einflussnahme auf die italienische Justiz. IStGH-Haftbefehle nicht auszuführen ist ein besorgniserregender Trend bei der strafrechtlichen Verfolgung von schweren Verstößen gegen das Völkerrecht.

Viel spricht dafür, dass der römische Generalstaatsanwalt nach Rücksprache mit dem italienischen Justizminister dafür gesorgt hat, dass Osama Elmasry Njeem unbehelligt ausreisen konnte, Libyen einen politischen Gefallen getan hat. „Wir lehnen jegliche politische Einmischung der Italienischen Regierung in das rechtmäßige Verfahren zur Auslieferung eines Verdächtigen, dem schwerwiegende Völkerstraftaten vorgeworfen werden, ab“, so Andreas Schüller, Leiter des zuständigen ECCHR Programmbereichs. Gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen fordert das ECCHR die Italienische Regierung in einem offenen Brief auf, diese Vorgänge sofort aufzuklären. Die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen den italienischen Premierminister und drei Minister wegen Behinderung der Justiz ist ein erster begrüßenswerter Schritt.

Das ECCHR arbeitet seit Jahren zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Libyen, insbesondere an Geflüchteten und Migrant*innen. 2021 und 2022 haben wir beim IStGH umfangreiche Strafanzeigen eingereicht, in denen es unter anderem um die von Osama Elmasry Njeem beaufsichtigte Mitiga-Haftanstalt in der Nähe von Tripolis ging. Die Anzeige stütz sich auf zahlreiche Fotos, Videos und Zeugenaussagen von Überlebenden, die beweisen, dass dort Menschen systematisch gefoltert, vergewaltigt, verschleppt und umgebracht werden.

David Yambio, ein Überlebender von Mitiga und Mitbegründer von Refugees in Libya (RiL), erklärte zur Situation rund um die Verhaftung von Osama Elmasry Njeem: „Die zerbrechliche Hoffnung auf Gerechtigkeit, an die wir uns alle klammerten, wurde zunichte gemacht. Es ist ein Verrat und eine Komplizenschaft der italienischen Regierung, die Gewalt und Missbrauch in Libyen finanziell unterstützt.“ Das ECCHR ist besorgt, dass alle Zeug*innen, einschließlich derer, die in Italien leben, in Gefahr sind, wenn sie sich gegen Njeem aussprechen.

Chantal Meloni, Rechtsanwältin und Professorin für internationales Strafrecht an der Universität von Mailand, berät das ECCHR in der Libyen-Arbeit. Sie urteilt: „Eine IStGH-Untersuchung, die durch die italienische Regierung vereitelt wurde, ist inakzeptabel! Die Entscheidung widerspricht der Kooperationsverpflichtung mit dem IStGH und lässt den Verdacht aufkommen, dass Italien seine Beziehungen zu den libyschen Behörden über die Anforderungen der Justiz stellt. Die Verbindungen zwischen Italien und dem libyschen Staat wurden sorgfältig analysiert und deuten auf eine mögliche Verantwortung der italienischen Behörden hin.“

Die politische Einmischung Italiens in den Fall Elmasry ist nur ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen libyschen und europäischen Beamten. Die 2022 beim IStGH eingereichte Strafanzeige des ECCHR sieht deutliche Indizien für einen gemeinsamen kriminellen Plan und eine operative Zusammenarbeit zwischen libyschen und europäischen Akteuren zur Eindämmung der Migration nach Europa. 

Mehr zu unserer Arbeit zu Menschenrechtsverletzungen In Libyen finden Sie hier, die Presseerklärung des IStGH hier.

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Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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