Mit erstem Strafprozess weltweit zu Folter in Syrien kann Deutschland international ein Signal setzen

Folter in mehr als 4.000 Fällen? Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Funktionär von Assad

29.10.2019

Berlin, 29. Oktober 2019 – Die Bundesanwaltschaft hat Mitte Oktober beim Oberlandesgericht Koblenz Anklage gegen zwei ehemalige Funktionäre des Allgemeinen Geheimdienstdirektorats von Syriens Präsident Baschar al-Assad erhoben. Damit wird es voraussichtlich ab Anfang 2020 in Deutschland zum weltweit ersten Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien kommen – ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen die Straflosigkeit. Anwar R. steht im Verdacht, zwischen April 2011 und September 2012 als Mittäter für die Folter von mindestens 4.000 Menschen, die Tötung von 58 Menschen und sexuellen Gewalt in der Haftanstalt der sogenannten Al-Khatib-Abteilung in Damaskus verantwortlich zu sein. Sein Mitarbeiter Eyad A. ist der Beihilfe zu Folter in mindestens 30 Fällen angeklagt.

„Dieser Prozess in Deutschland gibt Hoffnung, auch wenn alles lange dauert und nichts morgen passiert, und auch nicht übermorgen. Dass es überhaupt weitergeht, gibt uns Überlebenden Hoffnung auf Gerechtigkeit. Ich bin bereit, auszusagen“, sagte ein Syrer*, der in der Al-Khatib-Abteilung gefoltert wurde.

„Die Anklage ist ein wichtiges Zeichen, vor allem für die Betroffenen von Assads Folter-System“, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). „Wir werden gleichzeitig weiter daran arbeiten, dass die Hauptverantwortlichen für die Folter unter Assad vor Gericht gestellt werden – in Deutschland oder in einem anderen europäischen Land.“

Das ECCHR unterstützt Folterüberlebende aus Syrien, die Nebenkläger in dem Verfahren sind. 14 Syrer, mit denen das ECCHR zusammenarbeitet, hat das Bundeskriminalamt im Zuge der Ermittlungen des Generalbundesanwalts bereits als Zeugen vernommen. Sieben von ihnen wollen sich dem Verfahren als Nebenkläger anschließen.

Die Arbeit zu dem Verfahren in Koblenz ist Teil einer Reihe von Strafanzeigen wegen Folter in Syrien, die das ECCHR gemeinsam mit fast 50 Syrern – Folterüberlebende, Angehörige, Aktivisten und Anwälte – seit 2016 in Deutschland, Österreich und Schweden eingereicht hat.

Die Aussagen der durch das ECCHR betreuten Zeugen und die Recherchen der Organisation trugen auch dazu bei, dass der Bundesgerichtshof im Februar 2019 Haftbefehle gegen Anwar R. und Eyad A. erließ.

Bereits im Juni 2018 hatte der Bundesgerichtshof einen internationalen Haftbefehl gegen Jamil Hassan, bis Juli 2019 Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes, erlassen. Auch hierbei spielten die gemeinsamen Anzeigen des ECCHR und seiner syrischen Partner beim Generalbundesanwalt eine wichtige Rolle.

*Der Name des Zeugen ist dem ECCHR bekannt, wird zu seinem Schutz aber nicht genannt.

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Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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