Urteil im Fall Colonia Dignidad: Betroffene erwägen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Justizbehörden in NRW

Statement

09.12.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

es bleibt dabei: Der Umgang mit den Verbrechen in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile ist eins der unrühmlichsten Kapitel deutscher Justizgeschichte.

Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat heute eine Beschwerde der ECCHR-Partneranwältin Petra Schlagenhauf gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Hartmut Hopp – ehemaliger Arzt der Colonia Dignidad und „rechte Hand“ von Sektenführer Paul Schäfer – zurückgewiesen. Im Einzelnen geht es um den Vorwurf der Beihilfe zum Mord an drei Oppositionellen in Chile im Jahr 1976, den Vorwurf der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern und den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung durch zwangsweise Medikation mit Psychopharmaka.

Aus diesem Anlass veröffentlicht das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zum Fall Colonia Dignidad eine Stellungnahme (23 Seiten).

„Die Antwort der deutschen Justiz bleibt unzureichend. In der Colonia Dignidad wurde gemordet, gefoltert und vergewaltigt. Die Colonia Dignidad unterstützte die Verbrechen der Pinochet-Diktatur nach Kräften. Die deutsche Justiz hat die Verbrechen bis heute nicht ermittelt. Führungsmitglieder der Colonia Dignidad konnten sich den Prozessen in Chile durch Flucht nach Deutschland entziehen und werden hier nicht zur Verantwortung gezogen. Die wichtige juristische Aufarbeitung der Colonia Dignidad unterbleibt.

Die Liste der Versäumnisse der Justiz in Nordrhein-Westfahlen ist lang. Besonders schwerwiegend sind folgende Punkte:

• Die Behörden haben etliche Betroffene und Zeugen der Verbrechen nicht gehört – obwohl Rechtsanwältin Schlagenhauf und das ECCHR mehrfach über deren Aussagebereitschaft informierten.
• Die Ermittlungen blieben auf wenige Täter und Tatzeiten beschränkt – obwohl die Colonia Dignidad jahrzehntelang Ort einer Vielzahl schwerer Menschenrechtsverbrechen war.  Weder Landes- noch Bundeskriminalamt wurden in die Ermittlungen einbezogen.

Das Bild, das sich aus dieser langen Kette des Nichthandelns ergibt, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Das hat im Frühjahr 2019 auch der Antifolterausschuss der Vereinten Nationen kritisiert.

Den Betroffenen bleibt nun der Weg, beim Justizministerium Nordrhein-Westfalen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft Krefeld und die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf einzulegen. Außerdem können sie beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Erzwingung des Verfahrens gegen Hopp beantragen. Gemeinsam mit den Betroffenen und Partneranwältin Petra Schlagenhauf prüft das ECCHR aktuell beide Schritte.“

Andreas Schüller, Leiter des ECCHR-Programmbereichs Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung, steht für Interviews zur Verfügung.

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Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

Pressekontakt

Maria Bause
T: +49 30 69819797
M: presse@ecchr.eu

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