U.F. ist ein minderjähriger und unbegleitet geflüchteter Rohingya aus Myanmar. Zwischen August 2020 und Juli 2021 durchlebte er auf der Suche nach Schutz in Europa eine sogenannte Kettenzurückschiebung von Slowenien und mehrere gewaltsame Zurückschiebungen (Pushbacks) von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina (BiH). Kroatische Grenzbeamte misshandelten ihn und seine Begleiter, zwangen sie, die Schuhe auszuziehen und zuzusehen, wie all ihr Hab und Gut verbrannt wurde.
Mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Blindspots reichte U.F. deshalb beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Beschwerden gegen Kroatien und Slowenien wegen mehrfacher Verstöße gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes ein. Es sind die ersten Beschwerden dieser Art gegen die beiden Staaten.
Bereits mit 8 Jahren war U.F. nach einem militärischen Angriff auf sein Dorf aus Myanmar geflohen und ist seitdem von seiner Familie getrennt. Auf der langjährigen Suche nach einem sicheren Zufluchtsort verbrachte er mehr als ein Jahr in BiH, wo er lange Zeit obdachlos war und ohne staatliche Unterstützung oder medizinische Versorgung überleben musste. Während dieser Zeit wurde er insgesamt fünfmal von Kroatien nach BiH zurückgeschoben und war dabei ständiger Gewalt ausgesetzt. In einem dieser Fälle hatte ihn die slowenische Polizei aufgegriffen und nach mehrtägiger Haft im Rahmen eines „Rücknahmeabkommens“ den kroatischen Polizeibehörden übergeben, die ihn an die „grüne Grenze“ brachten und zwangen, nach BiH zurückzukehren.
„Die Beamten behandelten uns, als wären wir für sie nur Dreck“, fasst U.F. seine Erfahrungen in Kroatien zusammen. In seinen Beschwerden macht er nun geltend, dass Slowenien und Kroatien gegen das Verbot der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung von Kindern verstoßen haben.
Nach nationalem, europäischem und internationalem Recht wären Kroatien und Slowenien außerdem verpflichtet gewesen, eine sachgemäße Altersfeststellung durchzuführen und dem Kindeswohl Vorrang einzuräumen. Tatsächlich ignorierten die zuständigen Beamten das Alter von U.F., es wurde falsch erfasst oder nicht einmal erfragt. Zudem hatte er zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen.
„Wir wollen, dass Kroatien und Slowenien dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass sie minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten im Rahmen von systematischen und oft gewalttätigen, verdeckten Pushbacks grundlegende Menschenrechte verweigern. Die bekannten Rechtfertigungen oder Versuche, diese Praktiken zu leugnen, werden durch die vorliegenden Beweise einmal mehr widerlegt“, erklärt Delphine Rodrik, Juristin beim ECCHR.
U.F.s detaillierte Berichte konnten durch digitale Beweismittel untermauert werden. Sie offenbaren ein klares Muster von Pushbacks aus Kroatien und bestätigen eine gezielte und systematische staatliche Politik, die auch von Menschenrechtsinstitutionen und -organisationen sowie Medien bereits umfassend dokumentiert wurde.
Slowenien schiebt trotz der Berichte über brutale Misshandlungen und Pushbacks von Schutzsuchenden seit 2018 im Rahmen des Rückübernahmeabkommens umstandslos Menschen nach Kroatien zurück. Dabei werden die Schutzbedürfnisse einer Person, aber auch das Alter und Kindeswohlinteressen vollständig missachtet. Nach offiziellen Angaben wurden allein in den Jahren 2020 und 2021 auf diese Weise 13.700 Menschen aus Slowenien zurückgeschoben.
U.F. wird vor dem UN-Kinderrechtsausschuss von ECCHR-Partneranwalt Carsten Gericke vertreten. Die Beschwerden sind Teil einer Reihe von rechtlichen Initiativen des ECCHR gegen systematische Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen und wurde im Rahmen des Projekts Advancing Child Rights Strategic Litigation (ACRiSL) mit Unterstützung des Global Campus of Human Rights und der Right Livelihood cooperation realisiert.
Anlässlich dieses Verfahrens hat das Child Rights International Network (CRIN) Illustrationen erstellt, die zur weiteren Verwendung zur Verfügung stehen.