Acht Jahre nach dem Brand in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises sind zwei Männer in Karatschi vom Anti-Terrorismus-Gericht wegen Brandstiftung zum Tode verurteilt worden. Sie sollen den Brand gelegt haben, weil sich die Fabrikbesitzer weigerten, Schutzgeld zu bezahlen. 258 Menschen starben im September 2012 bei dem Feuer in der Fabrik, die hauptsächlich das deutsche Textilunternehmen KiK belieferte.
Die Verhängung der Todesstrafen in diesem und jedem anderen Fall ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte. Viele der Todesurteile in Pakistan sind unrechtmäßig und werden später von höheren Gerichten aufgehoben, das ist auch in diesem Fall möglich. Außerdem vernachlässigt das Urteil wichtige Fakten über ungenügende Brandschutzvorkehrungen in der Fabrik.
Saeeda Khatoon, die ihren Sohn bei dem Fabrikbrand verlor und die Selbstorganisation der Betroffenen vertritt, erklärt: „Dieses Urteil hilft niemandem: nicht den Überlebenden, nicht uns als Hinterbliebenen und auch nicht den vielen Arbeitern, die noch immer unter gefährlichsten Bedingungen in Textilfabriken arbeiten. Wir brauchen endlich eine echte Aufarbeitung dieses Verbrechens!“
Die Beweise im Prozess in Pakistan sind umstritten. Mehrere Gutachten schlossen Brandstiftung als Brandursache aus. Erst drei Jahre nach dem Brand berichtete ein Zeuge über eine mögliche Schutzgelderpressung. Faisal Siddiqi, Anwalt der Hinterbliebenen, sagt dazu: „Der Fabrikbrand in Karatschi wurde offensichtlich für einen Schauprozess gegen politische Gegner genutzt. Er hat nicht dazu beigetragen, die strukturellen Missstände aufzudecken, die schließlich zum Tod von 258 Menschen und zu lebenslangen Konsequenzen für so viele mehr geführt haben.“
Miriam Saage-Maaß, Leiterin des Programms Wirtschaft und Menschenrechte des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), sagt dazu: „Das Urteil in Pakistan darf nicht dazu führen, dass sich niemand für den fehlerhaften Brandschutz verantworten muss. Sicherheitsmaßnahmen müssen auch dann funktionieren, wenn ein Feuer absichtlich gelegt wird. Doch fehlende Alarmanlagen und vergitterte Fenster, die sich nicht öffnen ließen, haben dazu geführt, dass die Menschen in der Fabrik keine Chance hatten, dem Feuer zu entkommen. Dabei hätte KiK als Hauptkunde die Möglichkeit gehabt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“
2018 erstellte Forensic Architecture, ein Forschungsprojekt am Goldsmiths Institut, University of London, mit Unterstützung von Brandexperten eine Videoanalyse des Brandverlaufs, um die juristische Aufarbeitung des Falls und die Betroffenen zu unterstützen. Die Simulation basiert auf Berichten, Fotos und Aussagen von Überlebenden und belegt das weitreichende Fehlentscheidungen beim Bau des Gebäudes und des Managements.
Nicholas Masterton, Researcher bei Forensic Architecture, erläutert: „Unsere Analyse, die sich auf Untersuchungsberichte stützt, die auch dem Gericht in Pakistan vorlagen, hat gezeigt: Die Brandschutzmängel im Gebäude von Ali Enterprises waren massiv und systematisch. Türen, die ins nichts führten, fehlende Feuermelder und Feuerlöscher und viel zu viele Menschen im Gebäude – all dies waren Ergebnisse von Management-Entscheidungen und der fehlenden Verantwortung seitens der Hauptkunden der Fabrik. Ohne Zweifel hat dies zur hohen Zahl der Toten beigetragen, unabhängig von der Brandursache.
Im März 2015 hatten vier Überlebende und Hinterbliebene des Fabrikbrands mit Unterstützung des ECCHR und medico international gegen KiK geklagt. Der Grund: Als Hauptkunde hatte KiK großen Einfluss auf die Fabrik in Pakistan – und hätte für sichere Arbeitsbedingungen in der Fabrik sorgen müssen. Das Landgericht Dortmund wies die Klage jedoch wegen Verjährung ab, die Mitverantwortung von KiK für den Brand wurde darum nie geklärt.