Berlin/Koblenz – Akkreditierten syrischen Journalisten muss es ermöglicht werden, den weltweit ersten Prozess zu Staatsfolter in Syrien vor dem Oberlandesgericht Koblenz auf Arabisch zu verfolgen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 18. August 2020 mit einer einstweiligen Anordnung verfügt. Das Gericht folgte damit dem Eilantrag zu einer Verfassungsbeschwerde, die der syrische Journalist Mansour al Omari und ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Syria Justice and Accountability Centre (SJAC) am 13. August eingereicht hatten. Unterstützt wurden sie dabei von der Open Society Justice Initiative und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).
Der so genannte Al-Khatib-Prozess gegen Anwar R. und Eyad A. begann im April 2020, die beiden Syrer sind u.a. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Das ECCHR unterstützt in dem Verfahren 17 syrische Folterüberlende, von denen sieben Nebenkläger sind und von ECCHR-Kooperationsanwälten vertreten werden. Die Open Society Justice Initiative unterstützt ebenfalls fünf Überlebende. Das Verfahren ist nicht nur für die deutsche Justiz von historischer Bedeutung, sondern auch für die syrische Öffentlichkeit.
„In diesem Prozess geht es um Vertreter der syrischen Regierung, die Verbrechen gegen die syrische Zivilbevölkerung begangen haben sollen. Die Assad-Regierung ist weiterhin im Amt, sie begeht diese Verbrechen noch immer. Umso wichtiger ist es, dass wir als syrische Journalisten und NGOs dem Verfahren unmittelbar folgen und in unserer Landessprache darüber berichten können“, sagte der syrische Journalist und Antragssteller Al Omari. „Es ist zwar zunächst nur eine einstweilige Anordnung, doch für die syrischen Betroffenen ist es ein bedeutender Schritt“, ergänzte Mohammad al Abdallah, Geschäftsführer von SJAC.
Mit Deutsch als Gerichtssprache können syrische Medienvertreter den Großteil des Gesagten nicht verstehen. Dabei wird bereits für die Angeklagten jedes Wort verdolmetscht – doch das Gericht verwehrte der Öffentlichkeit bisher Zugang zu dieser Simultanübersetzung.
„Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts betrifft gleich zwei Grundrechte der Beschwerdeführer: das Recht auf Gleichheit und die Pressefreiheit. Dank der Entscheidung können nun endlich auch syrische Journalisten dieses wichtige Verfahren nachvollziehen und umfassend darüber berichten. Für uns ist es ein großer Erfolg, dass das Verfassungsgericht anerkennt, wie wichtig der direkte Zugang der syrischen Öffentlichkeit zum Al-Khatib-Prozess ist“, erklärte Rechtsanwalt Maik Elster. Gemeinsam mit dem Anwalt Björn Elberling hatte er die Verfassungsbeschwerde erarbeitet.
Wolfgang Kaleck, ECCHR-Generalsekretär, sagte: „Nicht nur die Prozessbeteiligten müssen diesem Verfahren folgen können. Viele Syrerinnen und Syrer weltweit wollen sich informieren. Deswegen ist der Zugang zur Verdolmetschung für arabische Journalisten und Aktivisten unerlässlich. Die deutsche Justiz kann hier ein wichtiges Signal für künftige Verfahren setzen.“