Colonia Dignidad: Deutsche Justiz bleibt untätig

Statement

22.01.2019

Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Ermittlungsverfahren gegen Reinhard Döring wegen mutmaßlicher Beihilfe zu Ermordungen in der deutschen Sektensiedlung „Colonia Dignidad“ in Chile eingestellt. Dazu sagte Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin:

„Die Staatsanwaltschaft Münster hat die Ermittlungen zu früh eingestellt“, so Schüller, der das Programm Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung des ECCHR leitet. „Das ECCHR hat die Strafanzeige gegen Döring im April 2018 eingereicht und im Dezember noch eine lange Liste von Zeugen vorgelegt. Die Zeugen hätten wichtige Auskünfte zur Rolle Dörings in der Colonia Dignidad geben können.“ Die Zusammenarbeit der Colonia Dignidad mit dem Geheimdienst von Chiles Diktator Augusto Pinochet, die Folter und das Verschwinden von politischen Gegnern, drohe nun endgültig im Verborgenen zu bleiben.

Reinhard Döring war unter den ersten Deutschen, die Sektenführer Paul Schäfer nach Chile folgten, um dort gemeinsam mit ihm die Sektensiedlung aufzubauen. Döring gehörte zum engen Führungskreis der Colonia und war daher gut vertraut mit den Vorgängen auf dem Siedlungsgelände. Er war einer der wenigen Colonia-Bewohner, die im direkten Kontakt zur chilenischen Geheimpolizei DINA standen, die zwischen 1973 bis 1977 als wichtigster Geheimdienst des Pinochet-Regimes diente und unter anderem auf dem Sektengelände aktiv war.

Das ECCHR kämpft seit 2011 dafür, dass die deutsche Justiz dazu beiträgt, die Verbrechen in der Colonia Dignidad aufzuarbeiten. „Die Verantwortlichen für Folter, Verschwindenlassen, Kindesmissbrauch und anderen Verbrechen müssen zur Verantwortung gezogen werden – auch jene, die sich einer Strafe in Chile durch die Flucht nach Deutschland entzogen haben“, sagte Schüller. „Die deutsche Justiz muss sich fragen, wie die Täter der Colonia Dignidad über Jahrzehnte unbehelligt hier leben konnten.“ In Chile sind einige Täter verurteilt worden – ohne Unterstützung aus Deutschland.

Angesichts der Entscheidung aus Münster mahnt das ECCHR Rechtsreformen an. „Es ist höchste Zeit, Folter und das erzwungene Verschwindenlassen als eigene Straftatbestände mit langen Verjährungsfristen in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.“

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Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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