Der höchste Punkt der indonesischen Insel Pari liegt 1,5 Meter über dem Meeresspiegel – noch. Der Klimawandel lässt das Wasser seit Jahren stetig steigen, spätestens 2050 wird der Großteil der Insel überflutet sein. Und damit die Existenzgrundlage ihrer Bewohner*innen, die schon jetzt mit Hochwassern zu kämpfen haben, die immer häufiger und immer heftiger auftreten. Doch die Menschen auf Pari wollen den Untergang ihrer Heimat nicht einfach so hinnehmen: Sie klagen in der Schweiz gegen einen der größten Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen, den Zementkonzern Holcim.
Vier Betroffene wandten sich im Juli 2022 an die Schweizer Justiz, unterstützt vom ECCHR, der Schweizer Organisation HEKS/EPER und der indonesischen Umweltorganisation WALHI. Nach einer ergebnislosen Schlichtungsverhandlung reichten die Betroffen im Januar 2023 eine Zivilklage gegen Holcim ein. Sie fordern: Holcim soll seinen CO₂-Ausstoß so schnell wie möglich deutlich senken. Besonders an ihrem Gesuch ist zudem, dass sie die Firma anhalten, Entschädigung für bereits entstandene Schäden zu leisten und dringend notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen zu finanzieren.
Holcim ist der größte Baustoffhersteller der Welt. Aktuell betreibt das Unternehmen 269 Zement- und Mahlwerke auf der ganzen Welt und ist globaler Marktführer für Zement. Durch seine Geschäfte trägt der Konzern maßgeblich zum Klimawandel bei: HEKS/EPER beauftragte eine Studie, wonach Holcim von 1950 bis 2020 über sieben Milliarden Tonnen Zement produziert und fast die gleiche Menge CO₂-Emissionen verursacht hat. Das sind 0,42 Prozent aller globalen industriellen Emissionen, die es je gab.
Holcim ist der hohe CO₂-Ausstoß der Zementproduktion und dessen Klimafolgen seit mindestens 30 Jahren bekannt. Trotzdem hat der Konzern seine Emissionen in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt – die schädlichen Folgen spüren die Menschen auf Pari. Dafür muss der Konzern zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb wandten sich die vier Bewohner*innen von Pari an die sogenannten Friedensrichter*innen in Zug, wo Holcim seinen Hauptsitz hat, und reichten dort im Juli 2022 ein Schlichtungsgesuch ein. Da die Schlichtungsverhandlung ergebnislos verlief, ziehen die vier Bewohner*innen von Pari nun vor Gericht und reichten im Januar 2023 Zivilklage gegen den Zementkonzern Holcim ein.
Die Bewohner*innen von Pari haben fast nichts zum Klimawandel beigetragen, im Gegenteil, sie arbeiten traditionell als Fischer*innen, betreiben ökologischen Tourismus und arbeiten aktiv für den Schutz von Korallen und Mangroven. Doch sie sind diejenigen, die sich an die Klimafolgen anpassen müssen. Überschwemmungen hat es auf Pari zwar immer gegeben, doch in den letzten Jahren haben sie merklich zugenommen. Die Folgen: versalzte Brunnen, abgestorbene Bäume, überflutete Strände und Häuser – und als Konsequenz kommen weniger Tourist*innen, eine wichtige Einnahmequelle für die Insel.
Klimabedingte Schäden und Verluste, durch Hochwasser, Hitzewellen, Stürme, Dürren, entstehen bereits heute auf vielen Teilen der Erde. Doch die größten Verursacher – die industrialisierten Staaten und Konzerne – verschieben politische Lösungen Jahr für Jahr, während die Entwicklungen insbesondere für Menschen im Globalen Süden existenzbedrohend sind.