Rechtswidriger Pushback von Deutschland nach Griechenland

Seehofer-Deal: NGOs intervenieren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

02.11.2020

Straßburg/Berlin – Zurückschiebungen aus Deutschland im Rahmen des sogenannten griechisch-deutschen Seehofer-Deals verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – das unterstreichen Pro Asyl, das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Refugee Support Aegean (RSA) in ihrer Einreichung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 30. Oktober 2020. Die Drittintervention der Organisationen im Fall H.T. gegen Deutschland und Griechenland legt dar, dass Deutschland Geflüchtete nicht nach Griechenland zurückschieben darf, ohne zuvor das Risiko schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zu prüfen.

H.T., ein syrischer Staatsangehöriger, wurde im September 2018 in Deutschland nach seiner Einreise über Österreich verhaftet. Weil er zuvor in Griechenland Asyl beantragt hatte, wurde er noch am selben Tag nach Athen zurückgeschickt – ein Verfahren, das der sogenannte Seehofer-Deal ermöglicht. Dieses Abkommen, das 2018 zwischen dem deutschen Innenministerium und dem griechischen Ministerium für Migration geschlossen wurde, sieht vor, dass Personen, die bereits in Griechenland Asyl beantragt haben und über Österreich nach Deutschland kommen, die Einreise verweigert und sie innerhalb von 48 Stunden nach Griechenland zurückgeführt werden.

In Griechenland wurde H.T. nach seiner Rückkehr trotz bekannter psychischer Erkrankung umgehend zum Zwecke einer Abschiebung in die Türkei inhaftiert. H.T. reichte schließlich am 1. März 2019 eine Individualbeschwerde beim EGMR in Straßburg ein. Er macht geltend, dass seine Rückführung durch Deutschland sowie seine Behandlung und Inhaftierung in Griechenland gegen die EMRK verstoßen und etwa das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3) und das Recht auf wirksame Beschwerde (Artikel 13) verletzen.

„Der ‚Seehofer-Deal' zielt darauf ab, die Rechte von Migrant*innen und Geflüchteten zu umgehen, die ihnen durch die Menschenrechtskonvention und die Dublin-III-Verordnung gewährt werden. Aber Deutschland kann das europäische Recht nicht einfach ignorieren“, sagt Hanaa Hakiki, Legal Advisor beim ECCHR. Sie fügt hinzu: „Deutschlands Vorgehensweise ist Teil einer umfassenderen Politik, Geflüchteten Schutz zu verweigern, selbst wenn sie sich innerhalb der EU-Grenzen befinden.“

In ihren Einreichungen betonen das ECCHR, Pro Asyl und RSA, dass Geflüchtete, die nach Deutschland kommen, nicht ohne Verfahren zurückgeschickt werden dürfen. Stattdessen müssen die Risiken in den Aufnahmeländern wie Griechenland vorab sorgfältig untersucht werden. Unmenschliche Haftbedingungen, Mängel im Asylsystem und das Risiko einer Kettenabschiebung in die Türkei im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens dürfen dabei nicht einfach außer Acht gelassen werden.

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Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

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