Pestizid-Vergiftungen in Yavatmal: OECD-Klage gegen Syngenta zugelassen – Tür zur Mediation offen

15.12.2020

Bern/Berlin – Die Nationale Kontaktstelle (NKS) der Schweizer OECD hat heute die Beschwerde gegen den Agrochemiekonzern Syngenta angenommen. Darin geht es um angebliche Pestizidvergiftungen in der zentralindischen Region Yavatmal durch das Insektizid Polo*. Die Klage reichte die Maharashtra Association of Pesticide Poisoned Persons (MAPPP) im Namen von 51 betroffenen Familien am 17. September 2020 ein, unterstützt wurde sie dabei vom Pesticide Action Network India (PAN India) und Asia Pacific (PAN AP), dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Public Eye.

Die heutige Entscheidung ermöglicht es den Betroffenen, mit Syngenta in die Mediationsphase einzutreten. Die betroffenen Landwirte, ihre Familien und die unterstützenden Organisationen aus Indien und Europa sind entschlossen, sich an diesem Prozess zu beteiligen. „Es ist ein wichtiger Schritt in dem Verfahren. Bei der Gruppe der 51 Landwirte weckt er große Erwartungen, dass das Unternehmen endlich die Rolle anerkennt, die Polo bei den Vergiftungen gespielt hat“, sagt Dileep Kumar von PAN India.

Im Herbst 2017 wurden Baumwollbauern in der Region Yavatmal durch Pestizide schwer vergiftet. Syngenta wies kategorisch jede Verantwortung für die gesundheitlichen und finanziellen Folgen der Ereignisse zurück und behauptete, es gebe „absolut keine Beweise“, dass Polo die Vergiftungen verursacht habe. Entgegen der Aussagen des Unternehmens zeigen offizielle Dokumente, die den Beschwerdeführenden vorliegen, dass die indische Polizei 96 Vergiftungsfälle im Zusammenhang mit dem Pestizid von Syngenta registriert hat – zwei davon waren tödlich.

Die beteiligten Organisationen bekräftigen: Die Mediation muss die Frage der Wiedergutmachung und die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Geschäftspraxis von Syngenta ansprechen. Das Unternehmen verkauft Polo weiterhin mit unzureichenden Produktwarnungen an Bauern im ländlichen Indien, die keinen Zugang zu angemessener persönlicher Schutzausrüstung haben.

Obwohl die heutige Entscheidung nicht belegt, dass Syngenta die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verletzt hat, kommt die NKS zu dem Schluss, dass die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen eine weitere Prüfung verdienen und bietet den Parteien deswegen die Mediation an. „Es ist an der Zeit, dass Syngenta an den Verhandlungstisch kommt und die Strategie des vollständigen Leugnens beendet. Stattdessen sollte der Konzern nun gemeinsam mit den Beschwerdeführenden eine Lösung suchen, wie den Betroffenen geholfen werden kann und wie weitere Pestizid-Vergiftungen von Kleinanwendern vermieden werden können. Wenn es, wie im Fall von Polo, kein Gegenmittel gibt, müssen persönliche Schutzausrüstungen zwingend werden“, fordert Miriam Saage-Maaß, ECCHR-Programmleiterin für Wirtschaft und Menschenrechte.

Im Dezember 2019 hatte Syngenta explizit darum gebeten, die Vorwürfe zu den Pestizid-Vergiftungen an die Schweizer NKS weiterzuleiten, um eine OECD-Beschwerde zu starten. „Die Maharashtra Association of Pesticides Poisoned Persons und alle anderen einreichenden Organisationen fordern Syngenta nun im Namen der Bauern auf, ihrer eigenen Forderung nach einer konstruktiven Vermittlung nachzukommen und das Mediationsangebot der NKS wahrzunehmen“, so Saage-Maaß.

* Polo ist ein Insektizid mit dem Wirkstoff Diafenthiuron, der in der Schweiz 2009 vom Markt genommen wurde. Er steht auf der PIC-Liste, was bedeutet, dass der Wirkstoff aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes verboten wurde. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat Diafenthiuron als „giftig beim Einatmen“ eingestuft und konstatiert, dass der Wirkstoff bei „längerer oder wiederholter Exposition organschädigend“ sein kann.

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