Historische Entscheidung im Fall Lafarge

Französische Justiz ermittelt gegen gesamten Konzern – und wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien

28.06.2018

Berlin/Paris, 28. Juni 2018 – Die Ermittlungen im Verfahren gegen den internationalen Zementhersteller Lafarge in Frankreich umfassen seit heute das gesamte Unternehmen und auch den Vorwurf der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien. Die Richter ermitteln seit Dezember 2017 wegen Terrorismusfinanzierung und „Gefährdung des Lebens anderer“ gegen acht ehemalige Top-Manager von Lafarge.

Das Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Lafarge als „juristische Person“ – d.h. gegen die gesamte Muttergesellschaft und nicht nur gegen einzelne Manager – ist weltweit das erste dieser Art. Das macht den Fall zu einem Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von Unternehmen, die Geschäfte in Kriegs- und Konfliktregionen treiben. Es ist zudem das erste Mal, dass französische Richter gegen ein transnationales Unternehmen wegen des Vorgehens eines Tochterunternehmens im Ausland ermitteln.


Anlass für das Verfahren ist unter anderem eine Strafanzeige gegen Lafarge, die elf Syrer – ehemalige Mitarbeiter – im November 2016 gemeinsam mit der französischen Organisation Sherpa und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) stellten. Im Mai 2018 hatten das ECCHR und Sherpa den Richtern zudem ein juristisches Memorandum eingereicht, das darlegte, warum die Ermittlungen die mögliche Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit einschließen müssen. Die Stellungnahme des ECCHR und Sherpa erläutert, dass die Verbrechen des Islamischen Staates (IS) von 2013 bis 2015 im Nordosten Syriens als Kriegsverbrechen einzustufen sind. Lafarge habe sich durch Geschäfte mit dem IS an dessen Verbrechen mitschuldig gemacht.


“Die Ermittlungen wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind von enormer Bedeutung. Das Gericht kann einen Präzedenzfall zur Rolle von Unternehmen in kriegerischen Konflikten schaffen“, sagte Sandra Cossart, Direktorin von Sherpa.


„Die Geschäfte von Lafarge in Syrien, wo schwerste Verbrechen quasi vor der Tür der dortigen Fabrik verübt wurden, sind beispielhaft dafür, wie Unternehmen bewaffnete Konflikte anheizen und Menschenrechtsverletzungen fördern können. Dass die französische Justiz das Ausmaß der Vorwürfe anerkennt ist ein Riesenerfolg und für die Anzeigenerstatter ein weiterer wichtiger Schritt in ihrem Kampf um Gerechtigkeit”, sagte Miriam Saage-Maaß, Leiterin des ECCHR-Programmbereichs „Wirtschaft und Menschenrechte“.


Angesichts der vielfältigen juristischen Fortschritte im Verfahren fordern Sherpa und das ECCHR Lafarge auf, endlich einen Entschädigungsfonds für die gesamte ehemalige syrische Belegschaft einzurichten.

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