Berlin, 11. Mai 2017 – Strafanzeige im März, Zeugenvernehmung im Mai: Der Generalbundesanwalt hat unmittelbar auf die in Deutschland erste Strafanzeige zu Folter in Syrien reagiert. Diese Woche wurden und werden die Kläger_innen – neun Folterüberlebende aus Syrien, die heute in Deutschland leben – als Zeug_innen vernommen. Die Frauen und Männer, unter ihnen die Rechtsanwälte Anwar al-Bunni (Syrian Center for Legal Researches & Studies) und Mazen Darwish (Syrian Center for Media and Freedom of Speech), wurden in Gefängnissen der syrischen Militärgeheimdienste selbst gefoltert oder Zeug_innen von Folter. Gemeinsam mit ihnen erarbeitete das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) nach dem Weltrechtsprinzip eine Anzeige gegen hochrangige Funktionäre der Regierung von Bashar al Assad, die sie am 2. März 2017 in Karlsruhe einreichten.
„Als Rechtsanwalt weiß ich, dass Verfahren lange dauern können. Im Fall Syrien muss die Justiz aber schnell handeln. Jeden Tag, an dem nichts passiert, sterben weitere Unschuldige“, sagte Munem Hilaneh, einer der Anzeigenerstatter. Al-Bunni, ergänzte: „Das Verfahren in Deutschland zeigt den Verantwortlichen in Syrien, dass sie nicht ungestraft davon kommen werden. Für die Opfer ist es ein deutliches Signal der Hoffnung auf Gerechtigkeit.”
Die deutsche Justiz kann nach dem Weltrechtsprinzip schwere Menschenrechtsverbrechen verfolgen, unabhängig davon, wo, von wem und gegen wen sie begangen werden. Die Fälle der Anzeigenerstatter_innen sind exemplarisch für die Folter unter der Regierung Assad. Ziel ist es, dass der Generalbundesanwalt die konkreten Fälle ermittelt und internationale Haftbefehle gegen die Verantwortlichen erwirkt. „Deutschland kann und muss seinen Beitrag leisten, damit die Befehlsketten der systematischen Folter in Syrien juristisch aufgearbeitet werden”, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR.
Das ECCHR untersucht seit 2012 Verbrechen verschiedener Konfliktparteien in Syrien. Gemeinsam mit der französischen Organisation Sherpa reichte es im November 2016 in Paris eine Strafanzeige gegen den Zementkonzern Lafarge und sein Tochterunternehmen Lafarge Cement Syria (LCS) ein. Der Vorwurf: Durch Geschäftsbeziehungen mit dem „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien habe LCS Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleistet. Lafarge räumte inzwischen Fehler im Syrien-Geschäft ein, Ende April trat der Geschäftsführer des Konzerns zurück.