Beschwerde gegen Griechenland vor dem UN-Menschenrechtsausschuss

Geflüchtete klagt gegen brutale Pushbacks an der griechisch-türkischen Grenze

02.02.2022

Schwer misshandelt, irregulär inhaftiert und mehrfach gewaltsam aus Griechenland in die Türkei zurückgeschoben – die detaillierten Schilderungen von Parvin A., einer iranischen Geflüchteten, sowie umfangreiches weiteres Beweismaterial legen die verdeckte, systematische Pushback-Praxis Griechenlands offen. Mit der Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der griechischen NGO HumanRights360 und Forensic Architecture (FA) reichte sie hierzu beim UN-Menschenrechtsausschuss eine Beschwerde gegen Griechenland wegen vielfacher Verstöße gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (den sogenannten UN-Zivilpakt) ein.

„Ich habe mir bei einem der Pushbacks versprochen, dass ich, wenn ich es nach Europa schaffe, vor Gericht gehen werde, um Gerechtigkeit bekommen. Denn diese Pushbacks und die Gewalt müssen aufhören. Wir alle sind Menschen. Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschenrechte von Geflüchteten wieder respektiert werden“, sagte Parvin A.

Die heute 30-jährige Parvin A. war 2017 wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung aus dem Iran geflohen und zunächst vom UNHCR in der Türkei als Flüchtling anerkannt worden. Nachdem die türkischen Behörden ihren Status aberkannten und sie abschieben wollten, suchte Parvin A. in der EU Schutz. Im Jahr 2020 wurde sie sechs Mal aus Griechenland über den Grenzfluss Evros in die Türkei zurückgeschoben bzw. auf dem Meer abgedrängt, ohne Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen. Im Zuge dieser Push-Backs wurde sie mehrfach ohne jedes Verfahren in Containern und Polizeistationen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert, bedroht und körperlich misshandelt.

„Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie sehr Push-Backs inzwischen zur Normalität geworden sind. Sie erfolgen routinemäßig, koordiniert und mit staatlichen Mitteln. Eine effektive innerstaatliche Untersuchung dieser Praxis findet nicht statt. Es ist an der Zeit, Griechenland zur Rechenschaft zu ziehen“, so Evgenia Kouniaki, Anwältin bei HumanRights360.

Bemerkenswerterweise war es Parvin A. gelungen, umfangreiche Beweise (Video-, Audioaufnahmen, Fotos sowie Live-Standorte) zu erstellen und zu sichern. FA hat dieses Material analysiert und die Vorfälle im Rahmen einer multimedialen Plattform rekonstruiert.

„Zum ersten Mal sehen wir Filmmaterial, aufgenommen in den Zellen der griechischen Polizeistationen. Angesichts solch eindeutiger Beweise kann die Regierung nicht weiter ignorieren und leugnen, dass es sich um eine gebilligte, staatliche Praxis handelt“, betonte Stefanos Levidis von FA.

Menschenrechtsinstitutionen, NGOs und Medien kritisieren diese langjährige, systematische Pushback-Politik seit mehr als zwei Jahrzehnten, wie eine Analyse des ECCHR zeigt.

„Die europäischen Institutionen haben es bislang versäumt, gegen diese Praxis vorzugehen. Die eindeutigen Beweise in diesem und anderen Fällen erfordern eine sofortige Reaktion der EU“, erklärte Hanaa Hakiki, Juristin beim ECCHR.

Diese Anzeige ist Teil einer Reihe von rechtlichen Interventionen gegen systematische Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen.

Für Interviewanfragen an Hanaa Hakiki wenden Sie sich bitte an Abby d‘Arcy unter: darcy@ecchr.eu   

Für Interviewanfragen an HumanRights360 richten Sie sich bitte an Eleni Takou unter: eleni.takou@humanrights360.org

Für Interviewanfragen an Forensic Architecture wenden Sie sich bitte an Stefanos Levidis unter: slv@forensic-architecture.org oder info@forensic-architecture.org

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Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

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