Mitverantwortung von TÜV SÜD muss auch in Deutschland aufgeklärt werden

Ein Jahr nach Dammbruch bei Brumadinho

23.01.2020

Berlin/Brumadinho, 23. Januar 2020 – Das deutsche Zertifizierungsunternehmen TÜV SÜD bestreitet weiterhin jegliche Mitverantwortung für den tödlichen Dammbruch in einer Eisenerzmine bei Brumadinho (Brasilien). 272 Menschen wurden getötet, die Natur zerstört und das Trinkwasser verseucht, als der Damm am 25. Januar 2019 brach. Vier Monate zuvor hatte TÜV SÜD im Auftrag des Minenbetreibers Vale S.A. die Stabilität des Dammes bestätigt. Die brasilianischen Betroffenen hatten im Oktober 2019 in München Anzeige gegen TÜV SÜD eingereicht. Nun hat die brasilianische Staatsanwaltschaft TÜV SÜD und Vale wegen Umweltverbrechen angeklagt. 16 Mitarbeiter*innen der Unternehmen wird zudem Mord vorgeworfen, darunter auch einem deutschen Manager von TÜV SÜD. Trotz der Anklage in Brasilien muss die Staatsanwaltschaft München ihre Ermittlungen fortsetzen, um die deutsche Mitverantwortung vollständig aufzuklären.

„Seit einem Jahr schieben sich TÜV SÜD und Vale gegenseitig die Schuld am Dammbruch zu. Ich bin überzeugt, der Tod meines Vaters und der 271 anderen hätte verhindert werden können. Dank unserer Strafanzeige ermittelt auch die Staatsanwaltschaft München zur Rolle von TÜV SÜD. Ich hoffe, dass bald alle Betroffenen Gerechtigkeit erlangen. Eine menschengemachte Katastrophe wie diese darf sich nicht wiederholen“, sagt Marcela Nayara Rodrigues. Wie die meisten der Toten war ihr Vater Mitarbeiter von Vale.

Rodrigues und vier weitere Betroffene reichten die Anzeige gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und MISEREOR ein. Der Vorwurf gegen TÜV SÜD und einen Mitarbeiter lautet unter anderem: fahrlässige Tötung. Die Anzeige wurde mit den Nichtregierungsorganisationen Articulação International de Atingidas e Atingidos Pela Vale und Associação Comunitária da Jangada erarbeitet, die auch die brasilianischen Behörden bei den Ermittlungen zum Dammbruch unterstützen.

Die Betroffenen fordern von Deutschland aber auch politische Folgen: Sie unterstützen die Initiative Lieferkettengesetz, die von der Bundesregierung ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt fordert. Damit sollen Unternehmen künftig für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haftbar gemacht werden können.

„Meine Schwester und viele andere haben für den Profit von Vale und TÜV SÜD mit ihrem Leben bezahlt“, sagt Angélica Amanda Andrade, deren Schwester bei dem Dammbruch getötet wurde. „Globale Unternehmen dürfen nicht länger Gewinne auf Kosten der Menschenrechte und der Umwelt machen. Gäbe es in Deutschland ein gutes Lieferkettengesetz, wären Unternehmen endlich verpflichtet, so zu wirtschaften, dass sie Mensch und Natur nicht gefährden.“

Nach Erkenntnissen des ECCHR und MISEREOR wiesen Ingenieure des brasilianischen Tochterunternehmens von TÜV SÜD bereits im Frühjahr 2018 auf Entwässerungsprobleme am Damm hin – stellten aber dennoch im September 2018 die Stabilitätserklärung aus. Das System der privatisierten Sicherheitszertifizierungen ist hoch umstritten, denn es ermöglicht den Unternehmen eine Flucht aus der Verantwortlichkeit. Auch Vale beruft sich auf die Stabilitätserklärung und weist so jede Mitverantwortung für den Dammbruch von sich.

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Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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