MetLife gegen Argentinien

Menschenrechtsschutz ist eine staatliche Pflicht und muss vom ICSID berücksichtigt werden

21.04.2021

Sieben Menschenrechtsorganisationen verteidigen beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) das Ende privater Rentenversicherungen in Argentinien, denn soziale Sicherheit ist ein Menschenrecht. Pensions- bzw. Rentenkassen sollten Bürger*innen ein menschenwürdiges Leben sichern – und nicht Unternehmen bereichern.

2017, fast zehn Jahre nach der Rückkehr in ein öffentliches Rentensystem, verklagte das US-Versicherungsunternehmen MetLife Argentinien vor dem ICSID. Der Vorwurf: Argentinien verstoße gegen das bilaterale Investitionsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Argentinien. Das ECCHR und seine Partner reichten im März 2021 dazu einen Amicus Curiae Brief ein, denn das ICSID muss die Menschenrechtsverpflichtungen des argentinischen Staats berücksichtigen.

Ein privatisiertes System, wie es in Argentinien von 1993 bis 2008 existierte, erfüllte nicht die Mindestvoraussetzungen für ein gerechtes und faires Sozialversicherungssystem. Die argentinische Regierung war daher verpflichtet, sie zu reformieren. Als Reaktion auf die Reform fordert MetLife nun Schadensersatz.

Neoliberale Politik, gefördert von internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank, führte zur Privatisierung verschiedener Menschenrechte im Bereich Bildung, Gesundheit, öffentliche Dienstleistungen und soziale Sicherheit. Chile war das erste Land, das 1981 während der Diktatur von Augusto Pinochet sein Rentensystem privatisierte. In Anlehnung an diese Reform veränderten in den folgenden Jahren 29 weitere Länder ebenfalls ihr Rentensystem. Das Ergebnis dieser Privatisierungen war in allen Fällen katastrophal. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation kehrten von den 30 Ländern mit privaten Rentensystemen 18 Länder zurück zu ihrem vorherigen System. 2018 warnte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zudem, dass die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen erhebliche Rückschläge für die Menschenrechte mit sich brächte.

Dennoch sind Unternehmen nicht bereit, ihre Geschäftschancen einzubüßen, und wenden sich deshalb an das ICSID, um Staaten in geschlossenen Verfahren zu verklagen. Vor einigen Tagen veröffentlichte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz zusammen mit mehr als hundert internationalen Wirtschafts-, Entwicklungs- und Sozialversicherungsexpert*innen einen offenen Brief. Dieser verurteilt die genannten Unternehmen, die Argentinien und Bolivien für ihre korrekten staatlichen Entscheidungen verklagen.

Seit Mitte der 1990er Jahre wandten sich viele Konzerne an das ICSID, in den meisten Fällen wurden die Staaten zu einer Entschädigungszahlung in Millionenhöhe verpflichtet. Hierbei werden Mittel, die für Betroffenen genutzt werden könnten, um Menschenrechte zu garantieren, für Gewinne privater Unternehmen missbraucht. In Zeiten, in denen Länder mit finanziellen Mitteln versuchen, der durch Covid-19 ausgelösten sozial-gesundheitlichen Krise entgegenzuwirken, ist es inakzeptabel, diese zusätzlich mit hohen Geldstrafen zu sanktionieren. Es ist besorgniserregend, dass Staaten für ihre Menschenrechtsverpflichtung, Bürger*innen ein würdevolles Leben garantieren zu wollen, bestraft werden.

Eingereicht wurde der Amicus Curiae Brief von folgenden Organisationen: Center for Legal and Social Studies (CELS, Civil Association for Equality and Justice (ACIJ), Center for Public Policies and Human Rights – Peru EQUIDAD, Project on Organization, Development, Education and Research (PODER), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Global Initiative for Economic, Social and Cultural Rights (GI-ESCR) and Center for Economic and Social Rights (CESR).

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Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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