Kein Angriffskrieg darf straflos bleiben

Die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für das Verbrechen der Aggression muss dringend erweitert werden

04.12.2024

Nicht erst der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat verdeutlicht: Es fehlt an einer wirksamen Ahndung des Verbrechens der Aggression. Obwohl das zwischenstaatliche Gewaltverbot zu den zentralen Normen des Völkerrechts gehört und die Strafbarkeit des Verbrechens der Aggression universell gilt, bestehen gravierende Lücken in der Durchsetzbarkeit. Es ist daher dringend erforderlich, einen institutionellen Rahmen zu schaffen, der Aggressionsverbrechen wirksam verhindert und die Strafverfolgung von Staatsführungen ermöglicht.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) kann die Verantwortlichen für Aggressionsverbrechen derzeit nur eingeschränkt verfolgen: Sind der angreifende oder angegriffene Staat nicht Vertragspartei des Römischen Statuts, ist der IStGH grundsätzlich nicht zuständig. Und selbst Vertragsstaaten können derzeit die Anerkennung dieser Zuständigkeit ablehnen. Damit bleibt die Zuständigkeit des IStGH für das Verbrechen der Aggression in wesentlichen Teilen hinter der Zuständigkeit für die anderen Kernverbrechen – namentlich Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen – zurück. Nur wenn der VN-Sicherheitsrat den IStGH ermächtigt, kann er Aggressionsakte durch Angehörige eines Staates verfolgen, der sich der Gerichtsbarkeit nicht unterworfen hat. Dies schafft Lücken in der Strafverfolgung und ermöglicht es insbesondere mächtigen Staaten, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Jetzt die Chance zur Reform des Römischen Statuts nutzen

Die Aggressionen der letzten Jahrzehnte zeigen schmerzhaft, dass eine Reform dringend notwendig ist. Vor diesem Hintergrund müssen die Vertragsstaaten des IStGH nun dringend eine sich bietende Chance nutzen, um das Römische Statut zu ändern. Für 2025 haben sie sich verpflichtet, die Vorschriften zum Verbrechen der Aggression zu evaluieren, was eine einmalige Gelegenheit für die überfällige Anpassung bedeutet: Der Gerichtshof muss das Verbrechen der Aggression unter denselben Bedingungen verfolgen können, wie die anderen Kernverbrechen. Dies würde sicherstellen, dass mehr Staaten von der Gerichtsbarkeit des IStGH erfasst werden und Aggressionsverbrechen weltweit wirksamer verfolgt werden können. Dies ist ein entscheidender Schritt, um insbesondere kleinere Staaten zu schützen, Straflosigkeit zu beenden und die Glaubwürdigkeit der internationalen Justiz zu stärken.

Die Menschenrechtsorganisation ECCHR hat daher gemeinsam mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Statement veröffentlicht, in dem alle Vertragsstaaten aufgefordert werden, sich für diese längst überfällige Reform einzusetzen.

Im Rahmen der diesjährigen 23. Vertragsstaatenversammlung des IStGH in Den Haag veranstaltet das ECCHR am 4. Dezember 2024 zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen und staatlichen Akteur*innen das Panel „Reviewing the ICC’s Jurisdiction over the Crime of Aggression: Addressing a Double Standard in International Law“. Ziel der Diskussion ist es, Wege zur Reform der Gerichtsbarkeit des IStGH aufzuzeigen. Als jährliches Treffen der Vertragsstaaten bietet die Versammlung eine wichtige Plattform, um die notwendige Reform voranzutreiben. Ohne entschlossenen politischen Willen droht diese Chance ungenutzt zu bleiben – mit verheerenden Folgen für das internationale Strafrecht und den globalen Frieden.

Das vollständige Statement finden Sie hier

Informationen zur Veranstaltung auf der Vertragsstaatenversammlung des IStGH finden Sie hier.

Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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