Bundestag verabschiedet Lieferkettengesetz: Ein wichtiger Schritt – doch nicht ausreichend für die Betroffenen

11.06.2021

Berlin, 11. Juni 2021 – Heute hat der Bundestag nach monatelangen Verhandlungen ein Sorgfaltspflichtengesetz verabschiedet, das deutsche Unternehmen und ihre direkten Zulieferer zu mehr Schutz von Menschenrechten und Umwelt verpflichtet. Das Gesetz kam vor allem aufgrund des Drucks der Zivilgesellschaft zustande – wurde jedoch in den Verhandlungen durch Wirtschaftsverbände massiv geschwächt und fällt damit hinter internationale Menschenrechtsstandards zurück.  

Anbei erhalten Sie dazu ein Statement von Dr. Miriam Saage-Maaß, Leiterin des ECCHR-Programmbereichs Wirtschaft und Menschenrechte: 

„Jahrzehntelang haben deutsche Unternehmen Profite auf Kosten von Mensch und Umwelt gemacht. Dass heute endlich ein Sorgfaltspflichtengesetz verabschiedet wurde, ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Freiwillige Sozialstandards sind gescheitert – und immer wieder haben auch deutsche Unternehmen wie KiK oder TÜV SÜD zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen. Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz macht die Bundesregierung Menschenrechts- und Umweltschutz endlich für Unternehmen zur Pflicht. 

Aber: Das Gesetz wird den Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen nicht gerecht. Es bleibt nicht nur weit hinter den Erwartungen der Zivilgesellschaft zurück – sondern auch hinter internationalen Menschenrechtsstandards. Dies haben wir den Unionsparteien und Wirtschaftsverbänden zu ,verdanken‘, die Wirtschaftsinteressen über Menschenleben und Klimakrise stellen und eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft verweigern.  

Das Sorgfaltspflichtengesetz nimmt nur größere deutsche Unternehmen und ihre direkten Zulieferer bei akuten oder unmittelbar bevorstehenden Menschenrechtsverletzungen in die Pflicht. Das missachtet die Verpflichtungen nach den UN-Leitprinzipien: Die Verantwortung aller Unternehmen muss präventiv bereits beim Risiko einer Menschenrechtsverletzung einsetzen – nicht erst, wenn es praktisch zu spät ist. Außerdem muss der ganze Wertschöpfungsprozess abgedeckt werden: vom Rohstoffabbau bis zur Verwendung des Produktes, wie etwa bei umstrittenen Waffenlieferungen an Kriegsparteien. 

Deutschland wird mit dem Gesetz seiner Rolle in der globalen Wirtschaft nicht gerecht: Es sind die Arbeiter*innen am Ende der Lieferkette, an die deutsche Unternehmen bewusst ihre Prozesse auslagern und von denen sie profitieren. Und es sind genau jene, denen wir mit dem Gesetz weiter den Zugang zu unseren Gerichten verweigern. Denn: Die dringende Frage der zivilrechtlichen Entschädigungen, die zum Beispiel beim Fabrikbrand von KiK in Pakistan im Mittelpunkt stand, bleibt ungeklärt. Das ist unbefriedigend – nicht nur für die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, sondern auch für Unternehmen.

Jetzt gilt es, weiter Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben, um das deutsche Gesetz nachzubessern und wirkungsvoll umzusetzen. Auch auf der EU-Ebene müssen wir jetzt für eine wesentlich stärkere Regelung kämpfen, insbesondere für die Einführung einer eigenständigen zivilrechtlichen Haftung. Die Menschen aus dem globalen Süden werden nicht aufhören, ihr Recht einzufordern. Wir werden sie dabei unterstützen.“ 

Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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