Berlin, 1. November 2021 – Seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Belarus im August 2020 demonstrierten landesweit tausende Bürger*innen. Die staatlichen Sicherheitskräfte reagierten hierauf mit extremer Gewalt. Massenhaft wurden tatsächliche oder vermeintliche Regimekritiker*innen festgenommen und misshandelt. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und die World Organisation Against Torture (OMCT) reichen nun beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen sechs namentlich benannte, hochrangige Mitglieder des belarussischen Sicherheitsapparats wegen Völkerrechtsverbrechen ein.
„Wir erwarten die Eröffnung von Ermittlungsverfahren durch den Generalbundesanwalt gegen die Verantwortlichen, da eine Aufklärung der Völkerrechtsverbrechen in Belarus selbst nicht abzusehen ist. Die Betroffenen müssen ihre Rechte ausüben können und Deutschland sollte dabei eine führende Rolle einnehmen. Die Beweissicherung soll auch einen europäischen Ansatz in der Strafverfolgung sowie Maßnahmen im Rahmen der UN stützen,“ so Andreas Schüller, Programmdirektor Völkerstraftaten und Rechtliche Verantwortung, ECCHR.
Die systematische Unterdrückung der belarussischen Bevölkerung ist als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu qualifizieren. Die Strafanzeige fasst Informationen über Taten zusammen, die seit dem 9. August 2020 in Belarus durch die Sicherheitsbehörden begangenen wurden, dazu gehören massenhafte Inhaftierungen, Folter, Verschwindenlassen, sexualisierte Gewalt und politische Verfolgung. Als Völkerstraftaten können die Angriffe in Deutschland nach dem Weltrechtsprinzip verfolgt werden.
“Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass Folter absichtlich eingesetzt wurde und dass sie weit verbreitet und systematisch war und damit die Schwelle zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreicht hat. Dies wurde durch verschiedene internationale Untersuchungen bestätigt, unter anderem durch den Moskauer Mechanismus der OSZE. Unsere eigene Berichterstattung hat gezeigt, dass Weißrussland nichts unternommen hat, um diese Verbrechen aufzuklären, deren Täter straffrei bleiben”, sagt Gerald Staberock, Generalsekretär, OMCT.
Die belarussische Regierung setzt gezielt Gewalt ein, um die Protestbewegung zu stoppen und Präsident Lukaschenkos Macht zu sichern. Belarus ist ein Fall der weltweiten zu beobachtenden Begrenzung zivilgesellschaftlicher Räume durch autoritäre Staaten. Die Strafanzeige macht dies sichtbar und setzt hiergegen ein Zeichen. Das Völkerstrafrecht dient auch dazu, Repression in Form von Völkerstraftaten gegen die Zivilbevölkerung weltweit zu verfolgen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
Die Strafanzeige steht in einer Reihe mit anderen rechtlichen Schritten des ECCHR, um Verantwortliche für Völkerrechtsverbrechen nach dem Weltrechtsprinzip vor Gericht zu bringen. Ähnliche Anzeigen zu Menschenrechtsverbrechen in Syrien trugen bereits zu einem Haftbefehl und zum ersten Verfahren weltweit zu syrischer Staatsfolter bei, das derzeit in vor dem Oberlandesgericht Koblenz stattfindet.
Kontakt:
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Iolanda Jaquemet, OMCT, +41 79 539 41 06, ij@omct.org