Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Keine Gerechtigkeit für Opfer von Pushbacks vor nationalen Gerichten

Griechenland – Pushbacks – EGMR

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befasst sich in aufgrund zahlreicher Beschwerdeverfahren mit den systematischen, häufig brutalen Pushback-Operationen Griechenlands an der griechisch-türkischen Landgrenze und auf See. Zu acht Fällen mit insgesamt 47 Beschwerdeführer*innen reichten das ECCHR und seine Partner PRO ASYL und Refugee Support Aegean (RSA) im Juli 2022 eine Drittintervention ein.

Fall

Die  Beschwerdeführenden in den acht Fällen kommen aus der Türkei, dem Irak, Iran, Tunesien, Palästina, Libanon, Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun, Kongo und Afghanistan. Unter ihnen ist u.a. ein unbegleiteter Minderjähriger aus Afghanistan, der zusammen mit anderen Geflüchteten von der Insel Samos auf das Meer zurückgezwungen und eine syrische Familie mit Kleinkindern, die zuvor in der Polizei- und Grenzschutzstation Soufli im Norden Griechenlands festgehalten worden waren, bevor sie über den Grenzfluß Evros in die Türkei zurückgeschoben wurden. Die Menschenrechtsrechtsbeschwerden betreffen Zurückschiebungen, Misshandlungen und Inhaftierungen und machen Verletzungen gegen Artikel 2 (Recht auf Leben), Artikel 3 (Verbot der Folter), Artikel 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit), Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Artikel 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend.

Unsere Drittintervention analysiert den fehlenden Zugang für Betroffene von Pushbacks zu wirksamen Ermittlungen auf nationaler Ebene bei potentiellen Verstößen gegen Artikel 2 und 3 der EMRK. Für die Stellungnahme wurden jahrzehntelange Berichte des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) sowie nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen ausgewertet. Sie verdeutlichen: Misshandlungen, unmenschliche und willkürliche Inhaftierungen sowie gewaltsamen Pushbacks sind Teil einer langjährigen und koordinierten Abschreckungspolitik gegenüber Schutzsuchenden und Migrant*innen, die mit einer Straffreiheit der Täter*innen einhergeht.

Die Drittintervention beschreibt bestehende strukturellen Hindernisse für Betroffene von Pushback-Operationen, um in Griechenland gegen griechische Polizist*innen und Grenzbeamt*innen vorzugehen und zeigt auf, dass der verdeckte und informelle Charakter der Operationen sowie der unsichere aufenthaltsrechtliche Status der Betroffenen und möglicher Zeug*innen effektive Untersuchungen vereiteln. Die Intervention hebt aber auch den Unwillen der griechischen Ermittler*innen, Staatsanwält*innen und Gerichte hervor, die verdeckten Grenzoperationen aufzuklären. Der fehlende Zugang zu wirksamen innerstaatlichen Rechtsmitteln trägt entscheidend zu der anhaltender Straflosigkeit bei und ermöglicht es Griechenland, die illegalen Pushbacks über Jahrzehnte hinweg fortzusetzten.

Kontext

Die acht Fälle gehören zu einer Reihe von anhängigen Verfahren gegen Griechenland in Zusammenhang mit gewaltsamer Zurückschiebungen an den Land- und Seegrenzen. Teilweise wurden Geflüchtete und Migrant*innen im Evrosgebiet heimlich und ohne Registrierung inhaftiert, bevor sie in Schlauchbooten gewaltsam über den Fluss zurück in die Türkei gebracht wurden. Andere wurden in Booten nahe der griechischen Küste aufgegriffen und in türkische Gewässer zurückgeschleppt oder nach ihrer Ankunft auf griechischen Inseln aufgegriffen, auf Rettungsinseln gezwungen und auf das offene Meer gezogen. Eine Möglichkeit, die Verantwortlichen in Griechenland zur Rechenschaft zu ziehen, bestand nicht.

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Definition

Pushback

Pushbacks sind völkerrechtswidrige Zurückweisungen, die an Grenzübergängen von Staaten mit harter Einwanderungspolitik vorgenommen werden.

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Einblick

Pushbacks

Bei den illegalen Zurückweisungen und Zurückschiebungen, den so genannten Pushbacks, an den EU-Außengrenzen werden elementare Menschen- und Flüchtlingsrechte außer Kraft gesetzt. Doch die Betroffenen sind faktisch rechtlos gestellt und haben kaum Möglichkeiten gegen die Gewaltexzesse vorzugehen. Das ECCHR setzt sich seit 2014 mit rechtlichen Interventionen gegen die Abschiebepraktiken in der EU ein.

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