Folter in Syrien: Prozess am Oberlandesgericht Koblenz

Anwar R. versucht, seine Verantwortung für Folter von 4.000 Menschen kleinzureden

18.05.2020

بيان صحفي

محاكمة التعذيب في سوريا أمام المحكمة الإقليمية العليا في كوبلنز بألمانيا

يحاول أنور.ر، التقليل من دوره في تعذيب 4000 شخص

Koblenz/Berlin – Im weltweit ersten Verfahren zu Staatsfolter in Syrien hat sich heute vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz der Hauptangeklagte Anwar R. erstmals mit einem schriftlichen Statement öffentlich geäußert.

„Anwar R. versucht, seine Mitverantwortung für jahrelange systematische Folter kleinzureden, in dem er behauptet, er habe bloß Befehle befolgt und letztlich habe die Unterabteilung 40 die tatsächliche Macht im Al-Khatib-Gefängnis ausgeübt. Das ist in solchen Verfahren übliche Taktik. Aber Anwar R. war Oberst und hatte eine leitende Position. Nach heutigem Kenntnisstand kann man davon ausgehen, dass er in der Haftanstalt die Befehle gab und mitnichten nur eine kleine Rolle spielte“, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), nach der Anhörung.

Als Leiter der Ermittlungen in der Abteilung 251, bekannt als Al-Khatib-Gefängnis, soll Anwar R. als Mittäter für die Folter von mindestens 4.000 Menschen, die Tötung von 58 Menschen und sexuelle Gewalt verantwortlich sein. In dem Verfahren am OLG Koblenz, das am 23. April begann, unterstützt das ECCHR 17 Folterüberlebende, von denen sieben als Nebenkläger dem Prozess beigetreten sind und von ECCHR-Partneranwälten vertreten werden.

Mit seiner Einlassung scheint Anwar R. vermitteln zu wollen, sein Handeln sei unwichtig gewesen. „Er war ein Karriereoffizier und ist unter der Regierung Assad aufgestiegen, schon vor den friedlichen Protesten 2011“, so Kaleck. Laut Anklage hat er mindestens anderthalb Jahre lang Folter an Gefangenen befehligt.

Wenn die Beweise zutreffen, bedeutet es, dass er die Folterverbrechen nicht zufällig beging.

Bei der Bemessung des Strafmaßes wird sich das Gericht damit beschäftigen müssen, dass R. 2012 desertierte und Syrien verließ. Als Menschenrechtsorganisation, die gegen die Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverbrechen kämpft, sieht sich das ECCHR den Prinzipien eines fairen Prozesses verpflichtet. Das schließt selbstverständlich auch das Recht eines Angeklagten ein, zur Anklage Stellung zu beziehen, so wie Anwar R. es heute getan hat.

Die Arbeit zum Verfahren in Koblenz ist Teil einer Reihe von Strafanzeigen wegen Folter in Syrien, die das ECCHR seit 2016 mit mehr als 50 Syrern – Folterüberlebenden, Aktivisten und Anwälten – in Deutschland, Österreich, Schweden und Norwegen eingereicht hat.

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Wer wir sind

Dem Unrecht das Recht entgegensetzen – das ist das erklärte Ziel und die tägliche Arbeit des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Das ECCHR ist eine gemeinnützige und unabhängige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin. Sie wurde 2007 von Wolfgang Kaleck und weiteren internationalen Jurist*innen gegründet, um die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie anderen Menschenrechtsdeklarationen und nationalen Verfassungen garantiert werden, mit juristischen Mitteln durchzusetzen.

Gemeinsam mit Betroffenen und Partner*innen weltweit nutzen wir juristische Mittel, damit die Verantwortlichen für Folter, Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung und abgeschottete Grenzen nicht ungestraft davonkommen.

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