Saeeda Khatoon (49) verlor am 11. September 2012 ihren einzigen, 18-jährigen Sohn M. Ejaz Ahmed. Er ging bis zur neunten Klasse in die Schule und arbeitete bereits seit vier Jahren – am Anfang noch neben der Schule – bei Ali Enterprises in der Schneiderei. Die 12.000 Rupien (entspricht etwa 100 Euro), die er verdiente, war die einzige Einkommensquelle der Familie. Saeeda Khatoon erfuhr etwa 15 Minuten nachdem das Feuer ausgebrochen war von dem Brand und rannte zur Fabrik: "Ich wollte nur noch wissen, wo mein Sohn ist. Alles brannte. Ich sah, dass Menschen in der Fabrik verbrannten. Sie waren in dem Gebäude gefangen. Nur ein paar Wenige schafften es, dem Feuer zu entkommen. Einige sprangen vom Dach, um ihr Leben zu retten. Die anderen verbrannten. Niemand konnte sie retten. Es war viel Sicherheitspersonal, Polizei und Paramilitär vor Ort. Aber keiner hat geholfen. Wir mussten mit ansehen, wie die Menschen vor unseren Augen starben. Am nächsten Mittag wurde der Zugang zur Fabrik freigegeben. Ich durfte die Fabrik nicht betreten. Die freiwilligen Helfer_innen und andere Arbeiter_innen, die meinen Sohn kannten, fanden ihn. Als sie die Leiche raustrugen, zeigten sie sie mir und sagten mir, sie hätten meinen Sohn auf der Treppe gefunden. Er arbeitete meist im Zwischengeschoss. Ich musste ihn dann im Krankenhaus identifizieren. Er hatte sein Gesicht er mit einem Teller schützen können, deswegen war es unversehrt. Der Rest des Körpers war komplett verbrannt". Nach Angaben von Saeeda Khatoon kamen allein aus ihrer Nachbarschaft 17 junge Männer in der Fabrik um. "Es gibt fast keine Straße in Baldia, in der nicht eine Familie Opfer zu beklagen hat. Es war nicht nur mein Verlust, es war der Verlust unseres ganzen Viertels. Was kann es Schlimmeres geben, als das eigene Kind zu verlieren? Du hast ihm alles gegeben, Zeit, Geld, Liebe; in der Hoffnung, dass es irgendwann ein gutes Leben haben wird und dir vielleicht im Alter helfen kann. M. Ejaz Ahmed war mein einziger Sohn, ich weiß nicht, wie ich die letzten Jahre überstanden habe. Selbst alltägliche Arbeiten im Haushalt fallen mir unendlich schwer. Ich koche nicht einmal mehr, seit dem Tod meines Sohnes. Ich kaufe irgendetwas und esse es. Es gibt nichts in meinen Leben. Ich bekomme eine kleine Rente vom Staat, davon lebe ich", berichtete Saeeda Khatoon im Gespräch mit ECCHR-Mitarbeiterinnen. "Entschädigungszahlungen sind für mich persönlich nicht das Hauptziel. Aber ich sehe, dass es anderen Familien finanziell sehr schlecht geht. Wir kämpfen im Rahmen der Organisation zusammen ebenfalls für die Probleme der anderen und wollen diese geklärt sehen. Ich möchte, dass keine Familie mehr solch einen Verlust durchstehen muss. Ich möchte sichergehen, dass das deutsche Unternehmen zur Verantwortung gezogen wird. Es sollte in Zukunft Regelungen für die Haftung von Unternehmen geben. So einen Katastrophe darf es nie wieder geben. Ich bin froh, dass auch deutsche Anwält_innen uns unterstützen und unsere Klage in Deutschland einreichen. Gemeinsam kämpfen wir für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Welt". An Entschädigungen hat Saeeda Khatoon 610.000 Rupien (etwa 5300 Euro) vom High Court, 400.000 Rupien (etwa 3400 Euro) aus dem Prime Ministers Fund, 300.000 Rupien (etwa 2600 Euro) aus dem Sindh Government Fund und 200.000 Rupien (etwa 1700 Euro) von einer Stiftung erhalten.