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Lafarge in Syrien: Historischer Prozessauftakt wegen Terrorismusfinanzierung

Parallel laufen Ermittlungen wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit weiter

03.11.2025

Vom 4. November bis 16. Dezember müssen sich der französische Zementkonzern Lafarge und mehrere ehemalige Führungskräfte vor dem Pariser Strafgericht verantworten. Der Vorwurf: Finanzierung terroristischer Organisationen während des syrischen Bürgerkriegs. Es ist der erste Prozess dieser Art – nun muss die französische Justiz klären, wie weit die Verantwortung multinationaler Konzerne in Konfliktgebieten reicht. 

Im Jahr 2016 deckten Medienrecherchen auf, dass Lafarge Zahlungen an bewaffnete Gruppen geleistet hatte – darunter auch an den Islamischen Staat –, um sein syrisches Zementwerk trotz erheblicher Risiken für die Mitarbeiter während des Krieges am Laufen zu halten. Nach den von den Untersuchungsrichtern ermittelten Zahlen soll Lafarge über 5 Millionen Euro in Form von „Sicherheitszahlungen" und Rohstoffeinkäufen gezahlt haben. 

Nach diesen Enthüllungen reichten 11 ehemalige syrische Mitarbeiter zusammen mit den Menschenrechtsorganisationen Sherpa und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) Strafanzeige gegen Lafarge, seine syrische Tochtergesellschaft und mehrere Führungskräfte ein. Die Vorwürfe: Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Finanzierung eines terroristischen Unternehmens und Gefährdung von Menschenleben.

Nach acht Jahren Ermittlungen beginnt nun der Prozess gegen Lafarge als Unternehmen sowie gegen vier ehemalige französische Führungskräfte. Die Vorwürfe: Terrorismusfinanzierung und Verstoß gegen internationale Sanktionen. Mitangeklagt sind zwei Sicherheitsmanager und zwei syrische Vermittler - ebenfalls wegen Terrorismusfinanzierung. 

Durchbruch nach jahrelangem Rechtskampf der syrischen Mitarbeiter 

Trotz aller Verzögerungsversuche von Lafarge und zahlreichen Einsprüchen beginnt nun der Prozess – ein Meilenstein für die ehemaligen Mitarbeiter und die sie unterstützenden Menschenrechtsorganisationen. 

Für die ehemaligen Mitarbeiter, die die Anzeige eingereicht haben, ist dieser Moment längst überfällig. „Anstatt in den Schutz seiner syrischen Mitarbeiter während des Krieges zu investieren, finanzierte Lafarge bewaffnete Gruppen. Neun Jahre nach Einreichung der Anzeige hoffen wir immer noch auf Gerechtigkeit", sagt Mohammad, ein ehemaliger Lafarge-Mitarbeiter in Syrien und Kläger in diesem Fall. 

Mehrere ehemalige syrische Mitarbeiter werden vor Gericht über das aussagen, was sie erlebt haben: Entführungen, Todesdrohungen, Angst. Mehr als ein Jahrzehnt später bekommen sie endlich Gehör – auf ihrem Weg zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. 

Auch die Menschenrechtsorganisationen Sherpa und ECCHR treten als Nebenkläger auf. Sie wollen vor allem klären lassen, wie Konzerne strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können und ob die Opfer Entschädigung erhalten. 

Die Ermittlungen wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehen weiter 

Der Prozess ist nur der erste Schritt. Gegen Lafarge wird parallel wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt – ein Novum in der Geschichte der Unternehmenshaftung. Die von Lafarge mutmaßlich finanzierten bewaffneten Gruppen, allen voran der Islamische Staat, haben schwerste Verbrechen an der syrischen Bevölkerung begangen: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord an den Jesiden. Der französische Kassationsgerichtshof stellte bereits fest: Die wissentliche Zahlung von Millionenbeträgen an eine Organisation mit rein kriminellen Zielen erfülle den Charakter der Beihilfe. 

Zu diesem Anklagepunkt wird im aktuellen Prozess jedoch noch nicht verhandelt. Die Ermittlungen laufen weiter und könnten zu einem zweiten Verfahren führen. Sherpa und ECCHR treiben diesen Teil der Aufarbeitung weiter voran – mit dem Ziel, das volle Ausmaß von Lafarges Verantwortung für die Verbrechen der mutmaßlich finanzierten Gruppen aufzudecken. 

Der Prozess beginnt fast ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes – in einer Zeit, in der immer lauter Gerechtigkeit für die Verbrechen aller Konfliktparteien gefordert wird. Zur Verantwortung gezogen werden müssen dabei auch europäische Unternehmen. 

Weitere Informationen zu dem Fall finden sie hier sowie in unserem Q&A.

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