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Im Luftkrieg bombardiert, mit geschwärzten Akten blockiert

Wie deutsche Behörden jemenitische Kläger im Stich lassen

19.03.2025

Kinder, die aufgrund des andauernden flächendeckenden Bombardements nicht aus ihren brennenden Wohnungen gerettet werden können, Häuser, von denen nach tagelangen Luftangriffen nichts mehr übrig ist – wer das erlebt, weiß dass es für manche Schäden keine Wiedergutmachung gibt. Doch wenigstens auf Gerechtigkeit und eine sicherere Zukunft hatten drei vom Luftkrieg betroffenen jemenitische Staatsbürger gehofft und 2021 Widerspruch gegen deutsche Export-Genehmigungen für Rüstungsgüter an Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eingelegt. Ihr Ziel: Endlich die Lieferung deutscher Waffenteile zu stoppen, die sie wieder und wieder an Leib und Leben bedrohen. Vier Jahre später wird auch diese Hoffnung zunichte gemacht: Eine nicht enden wollenden Spirale aus Intransparenz, Untätigkeit der Behörden und unübersehbaren Kostenrisiken haben dazu geführt dass die drei Kläger den Fall nicht weiter verfolgen können. Als juristische Menschenrechtsorganisation hat das ECCHR die drei Kläger gemeinsam mit der jemenitischen NGO Mwatana for Human Rights unterstützt.

 

Radhya Al-Mutawakel, Sprecherin und Mitbegründerin Mwatana for Human Rights:

„Mwatana hat 1070 wahllose und unverhältnismäßige Luftangriffe auf zivile Ziele dokumentiert, bei denen mindestens 7624 verletzt oder gar getötet wurden. Dies sind nur die dokumentierten Fälle, die tatsächliche Zahl der Angriffe liegt noch höher. Schulen, Krankenhäuser und menschliche Behausungen wurden genauso zerstört wie lebenswichtige Infrastruktur, außerdem tausende Menschen getötet, verletzt und vertrieben. Nicht genug, dass Deutschland sich daran durch Waffenlieferungen an Saudi Arabien und die VAE beteiligt hat – es lässt auch zehn Jahre nach den verheerenden Angriffen noch immer keine Gerechtigkeit walten.“

 

Annabell Brüggemann, Legal Advisor Wirtschaft und Menschenrechte, ECCHR:

„Es ist nur allzu verständlich, dass die Kläger unter diesen Umständen aufgeben. Die Bundesregierung verhält sich in Bezug auf erteilte Exportgenehmigungen weitgehend intransparent. Gleichzeitig fordern das BAFA und das Verwaltungsgericht von den Betroffenen, ganz genaue Angaben zu einzelnen Genehmigungen zu machen, damit sie überhaupt eine Chance haben, diese ohne ein unüberschaubar hohes Kostenrisiko überprüfen zu lassen. So wurde eine bedenkliche Zwickmühle konstruiert, die den Klägern den Zugang zu effektivem Rechtsschutz verwehrt und die Überprüfung der völkerrechtlichen Zulässigkeit von deutschen Waffenexporten in Konfliktregionen erheblich erschwert.“

 

Der Verlauf des Verfahrens zeigt, wie Bundesregierung, Behörden und Gerichte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Waffenexporten praktisch nahezu unmöglich machen und Betroffenen der Zugang zu effektivem Rechtsschutz systematisch verwehrt wird. Eine besorgniserregende Tendenz, die auch in Italien und Frankreich zu beobachten ist, wo wir ebenfalls gemeinsam mit Partnern gegen Rüstungsexporte vorgehen, die im Jemen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden.

 

Mehr zum Fall: 

Es geht um Rüstungsgüter, die aus Deutschland an Saudi Arabien und VAE geliefert werden sollten. Beide Staaten führten das Militärbündnis an, das vor genau zehn Jahren, im März 2015 damit begonnen hat, im Jemen massive Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung zu führen. Der Luftkrieg ging mit zahlreichen, gut dokumentierten Kriegsverbrechen einher und gefährdete die drei Kläger in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Da es Anhaltspunkte dafür gab, dass Deutschland auch nach Beginn der Luftangriffe weiter Rüstungsgüter an die Militärkoalition lieferte, legten die drei Kläger im Oktober 2021 bei der zuständigen deutschen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Widerspruch ein. Er richtete sich gegen die Genehmigung von Rüstungsgütern, die für den Luftkrieg geeignet sind, zum Beispiel Ersatzteile für Flugzeuge, Bomben und Raketen die von Flugzeugen aus eingesetzt werden oder Bombenzielrechner. Außerdem verlangten die Kläger Einsicht in die Behördenakten, denn ihr Ziel war es, bereits erteilte aber noch nicht erschöpfte Genehmigungen aufheben zu lassen und zu verhindern, dass solche weiterhin erteilt werden. Welche und wie viele Genehmigungen und Unternehmen dies im Einzelnen betrifft, konnten die Kläger aufgrund der weitgehenden Intransparenz über genehmigte Rüstungsexporte nicht wissen.

Die Behörde hielt die Antragsteller mit Verweis auf ministerielle Abstimmungsprozesse über zwei Jahre hin und lehnte Ende April 2024 schließlich alle Anträge als zu unbestimmt ab. Gegen diese Entscheidung haben die Betroffenen Ende Mai 2024 Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt eingereicht. Das Gericht hat ihnen dann Ende Dezember 2024 zwar endlich Einsicht in die Akten des behördlichen Verfahrens gewährt. Alle relevanten Informationen waren in diesen Akten allerdings zuvor geschwärzt worden: Weder die Kläger noch das Gericht können daraus erkennen, wann welche Genehmigungen erteilt wurden und ob und wann die Rüstungsgüter bereits geliefert wurden. Damit ist weiter unklar, welche und wie viele Genehmigungen insgesamt überhaupt von dem Widerspruch und der Klage erfasst sind – nach BAFA-Angaben könnten es jedoch über hundert sein. Gleichzeitig hat das Gericht angekündigt, den Streitwert nach der Anzahl der betroffenen Genehmigungen zu bemessen, dabei den maximal möglichen Betrag anzusetzen und alle potentiell betroffenen Unternehmen zum Verfahren beizuladen. Da der Streitwert die Kosten eines Verfahrens bestimmt, ist das finanzielle Risiko für die Kläger unkalkulierbar geworden. Sie können ihre Klage aber auch nicht zielgerichteter auf einzelne Genehmigungen und die davon erfassten Unternehmen begrenzen, weil das BAFA die dafür nötigen Informationen weiterhin unter Verschluss hält.

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