Die Beschwerden beruhen auf zahlreichenden dokumentierten Menschenrechtsverstößen auf ecuadorianischen Plantagen, die deutsche Supermarktketten mit Bananen und Ananas beliefern: Einerseits kam es zum gesundheitsgefährdenden Einsatz von Pestiziden, die zum Teil mit Flugzeugen und Drohnen über den Plantagen ausgebracht wurden, während die Arbeiter*innen sich dort aufhielten. Zweitens stellten Oxfam und ASTAC Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit fest, indem Arbeiter*innen etwa aufgrund ihrer Gewerkschaftsarbeit entlassen oder bedroht wurden. Drittens dokumentierten unsere Partnerorganisationen wiederholt die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, da oftmals nicht der örtliche Mindestlohn, geschweige denn ein existenzsichernder Lohn gezahlt wurde. Sie erfassten zudem Fälle von Diskriminierung älterer Arbeiter*innen die kurz vor ihrem Erwerb von Pensionsansprüchen entlassen wurden, von Frauen, die für die gleiche Arbeit weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen verdienten sowie von besonders extremer Ausbeutung migrantischer Arbeiter*innen.
Im Sommer 2023 hat Oxfam daher gemeinsam mit der ecuadorianischen Gewerkschaft der Landarbeiter*innen und Bäuer*innen im Bananensektor ASTAC und der costa-ricanische Gewerkschaft der Plantagenarbeiter*innen SITRAP die Supermarktketten Aldi, Edeka, Lidl und Rewe über die dokumentierten Verstöße informiert. Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet sie dazu, Menschenrechtsverstöße in ihren Lieferketten festzustellen, zu verhindern oder zu beseitigen. Die Supermarktketten wurden daher aufgefordert, die ihnen übermittelten Hinweise auf Arbeits- und Menschenrechtsverstöße bei ihren Zulieferern zu untersuchen und unter angemessener Beteiligung und auf Augenhöhe mit den Betroffenen und ihren gewerkschaftlichen Vertreter*innen auf eine Beseitigung der dokumentierten Missstände hinzuwirken.
Aldi und Lidl haben sich den Vorwürfen gestellt und verhandeln inzwischen mit den Gewerkschaften und ihren Zulieferern über geeignete Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen. Edeka und Rewe haben zwar auf die Beschwerden reagiert, veranlassten jedoch keine ausreichenden, wirksamen Schritte, um die Arbeiter*innen besser zu schützen und Menschenrechtsrisiken in der Bananenindustrie zu verhindern. Sie waren weder bereit, sich auf Augenhöhe mit den betroffenen Gewerkschaften zu treffen, noch Verantwortung für die Zahlung existenzsichernder Löhne durch eine veränderte Bananenpreispolitik zu übernehmen. Vielmehr verstecken sie sich weiterhin hinter Audits und Zertifizierungen - etwa des WWF oder der Rainforest Alliance - trotz der zahlreichen Hinweise und Aussagen von Betroffenen, dass diese bisher nicht dazu in der Lage waren, die Missstände aufzudecken und zu tatsächlichen Verbesserungen vor Ort beizutragen.
Mit den am 2. November 2023 eingereichten Beschwerden beim BAFA will das ECCHR gemeinsam mit seinen Partnern die rechtlichen Möglichkeiten des LkSG nutzen, um sicherzustellen, dass die importierenden Supermarktketten ihrer Verantwortung für die Arbeiter*innen in ihrer Lieferkette nachkommen und wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten zu unterbinden.
Update: Im Oktober 2024 hat das BAFA ASTAC endlich als vollwertige Verfahrensbeteiligte anerkannt und entschieden, der Gewerkschaft Einsicht in die Verfahrensakten zu geben. Bereits Ende Januar 2024 hatte das BAFA die Beschwerde als substantiiert bewertet und ein Prüfverfahren eingeleitet. Aus Mangel an Informationen über das weitere Vorgehen der Behörde hatte die Gewerkschaft bereits im Februar 2024 beim BAFA Akteneinsicht beantragt - was das BAFA aber zunächst über Monate hinweg verweigerte.