Versklavung, willkürliche Inhaftierung, sexuelle Gewalt – das sind nur einige der schweren Verbrechen, denen Migrant*innen, Geflüchtete und Asylsuchende (im Folgenden: Schutzsuchende) in Libyen systematisch ausgesetzt sind. Um der Straflosigkeit für diese Verbrechen ein Ende zu setzen, reichten das ECCHR, Lawyers for Justice in Libya (LFJL) und die International Federation for Human Rights (FIDH) mit 14 Überlebenden im November 2021 eine Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ein.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Schutzsuchende in Libyen: Der Internationale Strafgerichtshof muss ermitteln
Libyen – Migration – Verbrechen gegen die Menschlichkeit
El caso
Die bereits schlechte menschenrechtliche Situation in Libyen hat sich nach dem Sturz von Muammar Gaddafi im Jahr 2011 noch weiter verschlimmert. Verschiedene staatliche und private Akteur*innen ringen seitdem um Macht und Ressourcen. Tausende Schutzsuchende, die durch Libyen reisen, um an einen sicheren Ort in Europa oder anderswo zu gelangen, sind systematischer Misshandlung und massiver Gewalt ausgesetzt und werden von allen Konfliktparteien ausgebeutet. Sie gelten als „Ware“ und sind versklavt, gefoltert, inhaftiert und erpresst - zum wirtschaftlichen Vorteil aller Konfliktparteien. Teilweise werden sie sogar gezwungen, direkt oder indirekt am bewaffneten libyschen Konflikt teilzunehmen, und als Kombattant*innen instrumentalisiert.
Die Strafanzeige, die wir beim IStGH einreichten, basiert unter anderem auf Zeug*innenaussagen aus erster Hand durch umfangreiche Interviews mit Überlebenden, die klar machen: Die Verbrechen gegen Schutzsuchende in Libyen sind als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und potentielle Kriegsverbrechen zu qualifizieren. Der IStGH muss untersuchen, welche Verantwortlichkeit Mitglieder bewaffneter Gruppen, Milizen, und der libysche Staat an der Begehung dieser Verbrechen tragen. 19 mutmaßliche hochrangige Täter, darunter bekannte libysche Milizenchefs, benennt die Anzeige konkret.
Seit 2011 ermittelt der IStGH bereits zu den Verbrechen in Libyen und beobachtet in diesem Kontext spätestens seit 2017 die schweren Menschenrechtsverletzungen und unmenschlichen Bedingungen für Schutzsuchende – wir fordern, dass die IStGH-Anklagebehörde nun endlich ein Verfahren eröffnet und Haftbefehle für die Verantwortlichen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Schutzsuchende erlässt.
El marco
Obwohl sich auch die Europäische Union (EU) im Klaren über die Situation in Libyen ist, intensivierte sie in den letzten Jahren ihre Bemühungen, Schutzsuchende nicht aus dem Land zu lassen. Sie unterstützt und schult die sogenannte libysche Küstenwache, obwohl diese dafür bekannt ist, Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Neben der Strafanzeige veröffentlichten wir gemeinsam den Bericht No way out: Refugees and migrants trapped in Libya face crimes against humanity, der deutlich macht: Mit ihrer Migrationspolitik, die libysche Akteur*innen dabei unterstütz, Schutzsuchende von Europa fernzuhalten, trägt die EU entscheidend zur gravierenden Situation in Libyen bei.
Deshalb reichten wir 2022 eine weitere Strafanzeige beim IStGH ein, in der wir die völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit hochrangiger Beamt*innen der EU und einiger Mitgliedstaaten analysierten. Darin stellten wir fest, dass sich EU- und Mitgliedstaaten-Beamt*innen und libysche Akteur*innen bereits durch das Abfangen von Schutzsuchenden auf dem Mittelmeer und ihre zwangsweise Rückführung nach Libyen potentiell des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form der schweren Freiheitsberaubung strafbar machen.
Wir fordern darum weiterhin von der EU, die Unterstützung für libysche Autoritäten zu beenden, solange die Menschenrechtsverletzungen andauern.
Media
Bases
Hier finden Sie alle Fragen und Antworten zu dem Fall.
documentos (5)
-
ECCHR Submission for policy recommendations on slavery crimes under the Rome Statue
-
Redacted communication to the ICC on crimes against refugees and migrants in Libya
-
Executive summary: Communication to the ICC on crimes against refugees and migrants in Libya
-
No way out: Migrants and refugees trapped in Libya face crimes against humanity
-
Q&A: Gewalt gegen Geflüchtete und Migrant*innen in Libyen