D. hatte in der Türkei für die Tageszeitung Zaman und die Presseagentur Cihan gearbeitet. Die türkische Regierung ordnet diese Medien der Gülen-Bewegung zu, die für den versuchten Putsch im Juli 2016 verantwortlich gemacht und als terroristische Vereinigung (FETÖ) eingestuft wird. In der Folge des versuchten Staatsstreichs wurde D. entlassen. Er verließ im Oktober 2016 das Land und wurde am rumänisch-bulgarischen Grenzübergang in einem Lastwagen entdeckt und festgenommen.
Obwohl D. selbst auf seine Verfolgungssituation in der Türkei hinwies und die bulgarischen Behörden sogar wussten, dass er in der Türkei gesucht wurde, überprüfte niemand das ihm in der Türkei drohende Risiko. Nach weniger als 24 Stunden wurde D. den türkischen Behörden übergeben, die ihn umgehend in Haft nahmen. Später wurde er wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung FETÖ zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Dieser Schuldspruch basierte vornehmlich darauf, dass D. die Messenger-App „Bylock“ auf seinem Smartphone installiert hatte, die die türkische Regierung mit terroristischen Tätigkeiten in Verbindung bringt.
Auch wenn D. bei den bulgarischen Behörden nicht ausdrücklich um Asyl angesucht hatte, stellte der EGMR klar: Es obliegt dem Staat, das Risiko von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Amts wegen zu untersuchen, wenn hierfür Anhaltspunkte vorliegen.
Der Fall des Antragstellers wurde unterstützt vom Center for Legal Aid – Voice in Bulgaria und PRO ASYL.