In der Nacht vom 8. Oktober 2016 schlug eine Bombe – offenbar des von Saudi-Arabien angeführten Militärbündnisses – im Dorf Deir Al-Ḩajārī im Regierungsbezirk Al Ḩudaydah im Jemen ein. Bei dem Angriff starb eine sechsköpfige Familie, darunter die schwangere Mutter und vier Kinder. Am Tatort fanden sich Waffenteile, die darauf schließen lassen, dass bei dem Luftangriff eine Lenkbombe der Firma RWM Italia S.p.A., einer Tochterfirma des deutschen Rüstungsunternehmens Rheinmetall AG, eingesetzt wurde.
Um die strafrechtliche Verantwortung der Geschäftsführer*innen von RWM Italia und der Beamt*innen der italienischen Behörde für Waffenexporte für die Folgen der Waffenexporte an Saudi-Arabien zu klären, reichte das ECCHR mit Partnerorganisationen aus dem Jemen und Italien im April 2018 bei der Staatsanwaltschaft in Rom eine Strafanzeige ein. Im Februar 2021 bestätigte der Voruntersuchungsrichter, dass die Staatsanwaltschaft ermitteln müsse – doch die Zuständigen beantragten erneut, das Verfahren zu schließen. Das ECCHR legte im März 2022 Berufung gegen diesen Schritt ein.
Ein Jahr später wies die zuständige Richterin in Rom die Klage ab, obwohl Verstöße gegen das Waffenhandelsabkommen nachgewiesen wurden. Die Richterin hielt die Verdächtigen nicht für strafbar, da nicht bewiesen werden konnte, dass RWM von einem Machtmissbrauch profitierte. Nach Ansicht der Richterin hatten die Beamt*innen die formalen Verfahren für die Genehmigung von Waffenexporten eingehalten. Den Betroffenen des Luftangriffs wird durch diese Entscheidung der Zugang zu Gerechtigkeit und einem fairen Verfahren verweigert. Zudem widerspricht sie den in jahrelangen Ermittlungen gesammelten Beweisen.
Für die Betroffenen, das ECCHR und die Partnerorganisationen steht fest: Die italienische Justiz hat mit fehlgeleiteten Ermittlungen und der Ablehnung der Klage ihre Pflichten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Daher haben zwei Hinterbliebene und ein Überlebender, im Juni 2023, Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Italien eingereicht.